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Luftschiff

 Köln. Rätselhaft muss der Fall genannt werden. Trotzdem oder gerade deshalb gilt es zunächst die Fakten zu konstatieren. Im Wipfel eines Baums in einem Kölner Park wurde am Sonntagmorgen in etwa fünf Metern Höhe ein rotes Schiff entdeckt, ein größeres kajakförmiges Schlauchboot mit dem auch vom Boden aus gut lesbaren Namen Luftschiff. Wenig davon entfernt hat sich in den Zweigen ein wohl dazu gehöriges Paddel verfangen. Für die Zuschauer dieses seltsamen Begebnisses erreichbar hängt an einem auffallend langen Kabel ein Kopfhörer aus dem Boot herab. Von der Besatzung fehlt jede Spur. Augenzeugen der vorausgegangenen Ereignisse scheint es nicht zu geben. Nach behördlichen Angaben können ein schwerer Sturm ebenso wie ein alles mit sich reißendes Hochwasser und auch Vandalismus als Ursache dieser erstaunlichen Konstellation ausgeschlossen werden.

 Hier hat, so scheint es bislang, eine schwer vorstellbare, allenfalls dem Traum gestattete Verwechselung der Elemente stattgefunden oder die kaum glaubliche vorübergehende Aufhebung einiger physikalischer Gesetze, denn nach Lage der Dinge ist dieses roten Luftschiff tatsächlich eines. Nicht nur da es Volumen und Stabilität der Füllung seiner Kunststoffhaut mit Luft verdankt, sondern weil es tatsächlich durch die Luft gekommen sein dürfte. Welche Kräfte – abgesehen von den Flügeln der Phantasie – diesen spektakulären Luftschiffflug möglich machten wird noch zu klären sein. Zunächst bleibt es für die staunenden Passanten und auch die Fachleute eine vernunftwidrige Herausforderung des Vorstellungsvermögens und der rekonstruierenden Imagination, denn wie soll eine Reise durch die Lüfte, das Dahintreiben zwischen Wolken ausgesehen haben mit solch einem augenscheinlich für harmlose Wassertouren gebauten Boot, wie der glimpfliche Absturz, der jetzt alles an den Tag gebracht hat?

Bemerkenswert präzise muss die (Not?)Landung in den Ästen erfolgt sein, kein Zweig ist gebrochen, kein Blatt abgerissen, als sei das Luftschiff mit größter Vorsicht in den Baum geschwebt oder gesunken, nichts außer der riskanten Lage des Fahrzeugs deutet auf die verwüstende Dramatik, die unübersehbaren Folgen eines Unglücks hin. Lediglich das Paddel scheint beim Aufsetzen über Bord gegangen und hängt nun schwer erreichbar in den Ästen. Lässt dieses Paddel den Schluss auf nur einen Luftschiffer zu? Und was nützt dieses für den Vortrieb im Wasser gedachte Gerät in der Luft, wie wird es gehandhabt?  Statt eines Flugschreibers, der Auskunft geben könnte über Heimat(flug)hafen und Wege des rätselhaften Objekts, über seinen spurlosen Absturz hinein in die Äste eines Parkbaumes, anstelle dieser Apparatur gibt es lediglich ein an langem Kabel aus dem Luftschiff herabhängenden Kopfhörer, über den nichts als Meeresrauschen zu hören ist – immer noch zu hören ist, was, bedenkt man Akku- oder Batterielaufzeiten, ein Indiz für die noch nicht allzu lange zurückliegende Baumlandung sein könnte, die möglicherweise in der Nacht erfolgt ist. Zur Klärung tragen diese Geräusche nicht bei. Haben der oder die Luftschiffer ihnen während ihrer Reise gelauscht oder sind es Aufzeichnungen einer tatsächlichen Seereise? Ob das Luftschiff überhaupt schwimmfähig ist wird noch zu klären sein, ebenso werden Experten das Tonmaterial auswerten, um Hinweise zu Route und Herkunft des Schiffs zu ermitteln. Oder handelt es sich um eine falsche Fährte, eine Maßnahme zur zusätzlichen Befeuerung der schon jetzt überbordenden Spekulationen?

 Kurz vor Redaktionsschluss erreicht uns die Information, es handele sich um eine Arbeit der Künstlerin Dorrit Nebe, die, so ist zu vermuten, das Boot gelenkt haben könnte. Sollten sich diese Gerüchte bestätigen und die bislang als Malerin, Zeichnerin und Photographin tätige Dorrit Nebe tatsächlich Urheberin, gar Pilotin des Luftschiffes sein, so wäre noch festzuhalten:  Bei Paul Virilio gibt es die Überlegung, dass mit dem Flugzeug zugleich auch die Flugzeugkatastrophe erfunden worden ist; hier, im Park aber wäre Dorrit Nebe – schöne Zumutung – das Paradox des geglückten Luftfahrzeugbootsunfalls gelungen.

 Jens Peter Koerver

Vita

 1953—————-in Heidelberg geboren

1972-1978———Biologiestudium in Frankfurt und Tübingen

1978-1982———Studium der Malerei an der Kunstakademie Stuttgart

 Einzelausstellungen (Auswahl)

 2008—————-Joseph und Anna Fassbender-Preis, Galerie Brühl

2008—————-Galerie Carla Reul, Bonn

2008—————-wisch&weg, Moltkerei Werkstatt Köln

2006—————-Galerie Barbara Cramer, Bonn

2005—————-Kunstmuseum Mülheim an der Ruhr

2004—————-Stadtmuseum Oldenburg

2003—————-Galerie Konrad Mönter, Meerbusch

2002—————-Goethe Institut, Istanbul

2001—————-Stadtmuseum Siegburg

1999—————-Goethe Institut Santiago de Chile

1999—————-CIFA Gallery, Peking

 Ausstellungsbeteiligungen (Auswahl)

 2005—————-Kölnkunst, Kunststation Kleinsassen

2004—————-Flim Flam, Gallery g39, Cardiff

2003—————-Manif Art Fair, Art Center Seoul

2002—————-Vector + x, Kwan Hoon Gallery, Seoul

1998—————-Köln Kunst, Kunsthalle Köln

1998—————-Gruppe R.U.D.E.R., Stadtmuseum Köln

 Stipendien und Preise

 2008—————-Joseph und Anna Fassbender-Preis

1996—————-Stipendium der Herrmann-Haake-Stiftung, Stuttgart

 

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