BILDGALERIE

VIER SKULPTUREN

Die vier gemauerten und verputzten Sockel im Immergrünen Garten sind – genau wie das zentrale Wasserbecken im Rosengarten – markante architektonische Setzungen, an denen sich die gestalterische Fantasie der im Rahmen der „Vorgebirgspark Skulptur“ ausstellenden Künstlerinnen und Künstler immer wieder entzündet.

Nicht zufällig werden diese Elemente in fast jedem Jahr auf irgendeine, oft verfremdende und überraschende Weise, in die Ausstellung einbezogen. 2016 ist es der Bildhauer Evangelos Papadopoulos, der die leeren Sockel mit offenen, filigranen und komplex bewegten Skulpturen bestückt und so aus ihrem Dornröschenschlaf weckt. Wie man auf historischen Aufnahmen noch erkennen kann, waren auf den Sockeln ursprünglich neobarocke Figuren platziert, mit Bällen oder Schildkröten spielende Putten und andere Motive, die sich auf den damals noch in der Mitte des Immergrünen Gartens befindlichen Springbrunnen bezogen. Spätestens seit dem Zweiten Weltkrieg ihres Skulpturenschmucks beraubt, stehen die verwaisten Sockel heute als funktionslose geometrische Objekte – beinahe selbst so etwas wie anonyme minimalistische „Skulpturen“ – zwischen den üppig wachsenden Eiben im Immergrünen Garten. Für Evangelos Papadopoulos war es eine besondere Herausforderung, Skulpturen eigens für diesen Ort zu konzipieren, weil er üblicherweise ausschließlich für Innenräume arbeitet und im Vorgebirgspark zum ersten Mal überhaupt an einer Ausstellung unter freiem Himmel teilnimmt. Einen Namen gemacht hat sich Papadopoulos insbesondere mit seinen temporären Rauminstallationen aus unregelmäßig gebrochenen Gipskartonplatten, die ortsspezifisch auf die besonderen Gegebenheiten in Galerie- oder sonstigen Ausstellungsräumen reagieren und sich in organischem Wildwuchs in den Raum hinein erstrecken. Für seine Außenraum-Premiere im Vorgebirgspark hat er sich mit seinem aus vier Arbeiten bestehenden Beitrag für eine filigrane, offene und luftige Skulpturenform entschieden. Auf jeden Sockel hat er jeweils eine etwa 2,40 Meter hohe, schmale, sich komplex in die Höhe erstreckende Arbeit platziert. Die Skulpturen beziehen ihre besondere Spannung aus dem Kontrast zwischen geschweißten Stahlstäben und in Beton getauchten Juteseilen, die an den Stäben zu kleben, sich um sie herum zu schlängeln oder von ihnen abzulösen scheinen. Typisch für Papadopoulos ist seine intuitive, auf Vorskizzen oder plastische Entwürfe verzichtende Arbeitsweise. Mit jedem Arbeitsschritt reagiert er auf den

vorhergehenden, der Gestaltungsprozess entfaltet sich als offener Dialog mit den Materialien und ihre sich Schritt für Schritt verändernden Formmöglichkeiten. Als stabilisierendes Grundgewicht hat der Künstler jeder Skulptur einen Fuß aus dicken, schweren Stahlplatten mitgegeben, aus denen die filigranen, offenen, aus Stahlstäben bestehenden Stützstrukturen herauswachsen. Während das Verschweißen der Stäbe zu einer aus unterschiedlich großen Dreiecksformen bestehenden Metallkonstruktion noch gewisse, auf Stabilität und Statik bedachte Rücksichten erfordert, ist das Platzieren der in Beton getauchten Stricke ein völlig offener, dynamischer, den Zufall mit einbeziehender Akt. Die weichen, vom frischen Beton durchfeuchteten Juteseile formt und knetet Papadopoulos mit den Händen, bevor er sie gegen die Metallstruktur schleudert. Die haften bleibenden Stricke, die er dann zum Teil an den Stäben festbindet und verknotet, erstarren nach dem Trocknen des Betons zu organisch gewundenen Formen, Schlingen, Klumpen und lose im Raum hängenden Enden. Durch den Beton sind die Stricke farblich an die stahlgrauen Stäbe angeglichen. Doch um die Eigenschaften der von ihm verwendeten Materialien offenzulegen, hat Papadopoulos einzelne Partien der Seile bewusst nicht in Beton getaucht. So kommen an einigen Stellen der braune, warme Farbton des Naturmaterials Jute, seine fasrige Feinstruktur und die spiralig verdrehte Eigenform der Seile besser zur Geltung.

Auch wenn Papadopoulos keinerlei gegenständlichabbildhaften Intentionen verfolgt, lösen seine vertikal aufgerichteten Skulpturen doch geradezu unvermeidlich gewisse anthropomorphe Assoziationen aus. Wie stark abstrahierte und verfremdete, überlebensgroße Figuren stehen sie auf ihren Postamenten und nehmen – wenn auch nur für wenige Stunden – den Platz traditioneller Sockelstatuen ein. Mit ihrer leichten, linearen Offenheit bilden sie einen reizvollen Formkontrast nicht nur zu den geometrisch blockhaften Sockeln, sondern auch zu den benachbarten Eiben, deren bauschige, voluminöse Formen den Skulpturen an ihrem „Kopfende“ sehr nahe kommen. Selbst auf dem formalen Gegensatz von geometrischer und organisch-amorpher Form aufgebaut, erhalten die vier Skulpturen so eine Rahmung, die diesen Kontrast in größerem Maßstab akzentuiert. Damit sind sie formal eng eingebunden in das Gesamtgefüge des Immergrünen Gartens mit seinem auch noch nach 100 Jahren spürbaren Gestaltungswillen.

Peter Lodermeyer

VITA

1974 geboren in Athen, Griechenland

arbeitet in Düsseldorf

2015 – 2016      Lehrauftrag an der Hochschule Darmstadt, Fachbereich Design

1998 – 2005      Studium an der Kunstakademie Münster bei Prof. Mechthild Frisch

1992 – 1996       Studium an der Nationalen Technischen Universität Athen

Stipendien

2012                  Deutsch-chinesischer Künstleraustausch, Chongqing

2001                  Preisträger der Förderergesellschaft Kunstakademie Münster e.V.

Einzelausstellungen (Auswahl)

2016                  Materia Prima, Tiefgarage, Köln

2015                  Serpentinata, GraeserSchmidt Contemporary Art, Köln

2014                  Es lässt mich Dinge sehen, Cubit, Düsseldorf

2012                  Mania, Honigbrot, Heimat+Sachkunde / Maria Wildeis, Köln

2011                  Installation, Galerie Gabriele Undine Meyer, Bielefeld

2010                  A Room for one Sculpture, format:C, Meerbusch-Lank

Gruppenausstellungen (Auswahl)

2016                  Vorgebirgsparkskulptur, Köln

-AAA–AA—————FIVE   Back & from Chongqing, Werft 77 Art Space, Düsseldorf

-AAA–AA—————Das große Ganze, Art Affect, Berschweiler

-AAA–AA—————Vom Himmel, GraeserSchmidt Contemporary Art, Köln

2015                  Figur / Fläche / Raum, GraeserSchmidt Contemporary Art, Köln

-AAA–AA—————imm Cologne, Köln

2013                  Museumsnacht Köln, Köln

-AAA–AA—————Kunstfestival Strom, Köln

2012                  A Tale of Two Cities, Organhaus, Chongqing, China

-AAA–AA—————Grosse Kunstausstellung NRW, Museum Kunst Palast, Düsseldorf

-AAA–AA—————TransForm, Atelierhaus Aachen e.V., Aachen

2011                  Nordwestkunst 2011 – Die Nominierten, Kunsthalle, Wilhelmshaven

-AAA–AA—————Grosse Kunstausstellung NRW, Museum Kunst Palast, Düsseldorf

2010                  Atelierhaus Marienstrasse Offen, Nürnberg

-AAA–AA—————Grosse Kunstausstellung NRW, Museum Kunst Palast, Düsseldorf

2009                  Gehäuse Untergeschoss, Sammlung Philara, Düsseldorf

2006                  No Budget Video+Filmfestival, Weimar

-AAA–AA—————Hafenlichtspiele 2006, Düsseldorf

2004                  1-1 gleich=raum gleich=zeit, MANEGE Sankt Petersburg und Stadthafen Münster

-AAA–AA—————Grosse Kunstausstellung NRW, Museum Kunst Palast, Düsseldorf

2003                  Frische Brise, Kunstverein Schwerte

-AAA–AA—————Youth4media 2003, Münster

2001                  Preisträger der Förderergesellschaft Kunstakademie Münster e.V.

www.evangelospapadopoulos.eu