BILDGALERIE

RAUM DER MUßE

In dem von unterschiedlichsten experimentellen Kunstformen der 1960er-Jahren „erweiterten Feld“ der Skulptur, von dem die bedeutende amerikanische Kunstkritikerin Rosalind Krauss in einem Essay von 1979 sprach, nimmt die Gattung der Klanginstallation zweifellos eine randständige Position ein. Das mag unter anderem auch daran liegen, dass sie nicht nur an die Bildende Kunst, sondern ebenso an die Musik angrenzt bzw. an das, was man in Ermangelung eines treffenderen Ausdrucks Klangkunst nennt. In ihrer schwer zu verortenden Sonderstellung ist sie nur einem eher kleinen Kreis von Kennern und Liebhabern vertraut. Umso wichtiger ist es, dass die „Vorgebirgspark Skulptur“ immer wieder auch Klanginstallationen in ihr Ausstellungsrepertoire aufnimmt und so einem weiteren Publikumskreis bekannt macht.

Mit Peter Behrendsen ist 2016 ein Künstler an der Ausstellung beteiligt, der sich seit vielen Jahren und in vielfältigster Weise für die Bereiche Klangkunst, Akustische Kunst und Neue Musik engagiert. Es mag hier genügen, daran zu erinnern, dass er mit so bedeutenden Musikern wie John Cage und David Tudor zusammengearbeitet und in Köln wichtige Konzertreihen wie die „Brücken Musik“, die jährlich im Inneren der Deutzer Brücke erklingt, ins Leben gerufen hat. Seinen Beitrag zur „Vorgebirgspark Skulptur“ mit dem Titel „Raum der Muße“ betrachtet Behrendsen durchaus als eine skulpturale Arbeit. Den Begriff der Klangskulptur (oder sound sculpture), der in der Fachliteratur vor allem in Zusammenhang mit der Arbeit des amerikanischen Klangkünstlers Bill Fontana verwendet wird, lässt er auch für seinen „Raum der Muße“ gelten. Wie jede andere Skulptur auch, ist eine Klangskulptur als Gestalt im Raum zu begreifen, auch wenn diese nicht haptisch oder visuell in Erscheinung tritt, sondern allein als ein akustisches Phänomen wahrgenommen wird. Wenn sie im öffentlichen RauWer im Vorgebirgspark umhergeht, um sich die Skulpturen in allen vier Sondergärten anzuschauen, wird im Baumhof, diesem von Linden umstandenen, offenen Areal, vielleicht zunächst irritiert oder enttäuscht sein, weil dort außer den beiden grünen Drahtgitterbänken am Gehweg und den etwas abseits positionierten, schon von Wind und Wetter gezeichneten betongrauen Tischtennisplatten „nichts“ ist. Je nachdem, welche Geräuschkulisse gerade im Park herrscht m und nicht in einem künstlich stillgelegten Ambiente (etwa einem Ausstellungsraum oder Konzertsaal) installiert wird, werden die Grenze einer Klangskulptur fließend, sie diffundiert dann unvermeidlich in die ohnehin vorhandene Klang- und Geräuschsphäre dieses Ortes

hinein und ob man sich selbst womöglich im Gespräch mit anderen befindet, kann es eine Weile dauern, bis man erstmals Klänge vernimmt, die man nicht zuordnen kann und daher die Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Wenn man unvertraute Geräusche oder sonstige akustische Ereignisse vernimmt, sucht man sofort nach deren Ursache. Behrendsen hat vier Lautsprecher in einiger Höhe an den Baumstämmen befestigt, sodass sie den Baumhof aus unterschiedlichen Richtungen beschallen und so ein dynamisches Klangfeld erzeugen. Die Lautsprecher drängen sich dem Auge nicht auf, werden aber auch nicht eigens versteckt, sondern als notwendige Voraussetzung für die Realisation der Klangskulptur in ihrer lapidaren Vorhandenheit akzeptiert. Auch die Klangereignisse selbst drängen sich den Parkbesuchern nicht auf. Ihre Lautstärke ist moderat, sie versuchen nicht zu beeindrucken. Die erste Klangschicht der Installation, die durchgehend zu hören ist, besteht aus zwei unterschiedlichen Klangarten, die beide aus einer elektronischen Transformation eines gesprochenen Textes hervorgehen. Es handelt sich dabei, wie der Künstler erläutert, zum einen um „Tonhöhen-Impulse, die zum anderen in bestimmtem Abständen von komplexeren elektronischen, fluktuierenden, akkordartigen Klängen unterbrochen werden.“

Den Text, aus dessen elektronischer Umwandlung Behrendsen seine Klänge erzeugt, fand er auf der Website der „Vorgebirgspark Skulptur“. Dort werden die Intentionen des Gartenarchitekten Fritz Encke und seine Vorstellung von den vier Sondergärten des Vorgebirgsparks als „Räumen der Muße“ erwähnt. Dass Behrendsen die Klänge für seine Installation im Vorgebirgspark einem Text über ebenjenen Park entnimmt, passt zu seinem Konzept, seine Installationen möglichst auf die Orte ihrer Realisation abzustimmen und die Aufmerksamkeit der Besucher auf die vorhandene Umgebung und damit zugleich auf die Wahrnehmung selbst zu richten. Um diese Aufmerksamkeit zu fokussieren, hat er in sein Klangmaterial eine zweite, nur etwa alle 10 Minuten aufscheinende Klangschicht integriert, Aufnahmen von Ereignissen, die zum Park passen (und ebenfalls im Text erwähnt sind), die als „Ruhestörungen“ einen Gegenpol zur Stille bilden: Geräusche von Kindern, Straßenlärm, Planschbecken, Fußballspielen usw. Wie Behrendsen sagt: „Das Hinzugefügte“ – also die Klanginstallation – „soll weniger auf sich selber aufmerksam machen als Bewusstsein für die Umgebung zu schaffen, so wie sie im Hier und Jetzt präsent.

Peter Lodermeyer

VITA

1943 ————–geboren in Wiener Neustadt (Österreich)

1965 – 1972 lebt und arbeitet in Köln

1965 – 1972 Studium der Theaterwissenschaft, Germanistik und Soziologie an der Universität Köln (MA)

ab 1972 ——–autodidaktisches Studium der elektro-akustischen Musik

1976 ————-Mitglied des Ensembles Musik-Dia-Licht-Galerie von Josef Anton Riedl

1976 – 1987 Assistent und Mitarbeiter von Klaus Schöning (WDR-3 Hörspielstudio/ Studio Akustische Kunst);

ab 1972 ——–betrachtet als seine wichtigsten Lehrer John Cage, Alvin Lucier, Jackson Mac Low, Gerhard Rühm

ab 1972 ——–und David Tudor, mit denen er auch zusammenarbeitete.

seit 1979——- Hörfunkregisseur und -autor (DLF, WDR und HR)

Ausgewählte Veranstaltungsprojekte

2012 ————-Inszenierung von Branches/Inlets bei der Maerzmusik Berlin im Botanischen Garten/Berlin-Steglitz;

2012 ————-Wiederaufnahme der Konzert-Version von “Roaratorio” (John Cage), Aufführungen in Köln, Amsterdam und Cork

2009 ————-Variations on Variations Eröffnungskonzert der reiheM; Rainforest IV, Alte Feuerwache Köln

2009 ————-David Tudor, Rainforest IV, Alte Feuerwache Köln

1998 ————-Planung und Organisation von David Tudor in Memoriam im DLF Köln für NovAntiqua

1997 ————-Sound Extensions (Klanginstallation von Bill Fontana für die U-Bahnhaltestelle WienerPlatz)

1995 bis 2004 Brückenmusik, Klangkunst im Hohlkasten der Deutzer Brücke

1991 ————-anläßlich des Rheinischen Musikfestes in Köln innerhalb der Reihe 40 Jahre Elektronisches Studio des WDR Entwurf,

2012 ————-Planung und Organisation des Konzerts David Tudor and Friends (Live-Elektronische Kompositionen der 60er Jahre),

2012 ————-außerdem Mitwirkung

1987 – 1991 Konzertreihe für Experimentelle Musik KGNM im Stadtgarten im Kölner Stadtgarten

1987 ————- Organisation der Klangbrücke San Francisco-Köln von Bill Fontana (WDR)

2012 ————-WDR-Projekt „Cage/Nacht/Tag“ (Sprecher in Alphabet von J. Cage)

2011 ————- Analog 2, Live-Elektronik-Workshop mit Studenten der Kunsthochschule für Medien Köln (KHM)

2006 ————-Analog 1, Live-Elektronik-Workshop und künstlerische Leitung an der KHM Köln

1987 – 1993 Vorstandsmitglied der Kölner Gesellschaft für Neue Musik (KGNM)

Kompositionen (Auswahl)

Tschuon (Text-Sound für 2 Sprecher); Kleiner Berg (E-Gitarre und Vibrator) Nachtflug (musique-concrète für 2 Live-Elektronik-Interpreten); Atem des Windes (Sprach-Musik-Komposition) Windkörner (audiovisuelle Installation)

Konzerte und Installationen (Auswahl)

2015 ————- Windkörner-Installation im Kunsthaus Wiesbaden

2013 ————- Klanginstallation Deluge bei PassionenStationen in Bonn; reiheM-Konzert mit Nic Collins im Kölnischen Kunstverein;

2012 ————-Windkörner-Installation für Visual Sounds Köln

1985 ————- Ausstellungsbeteiligung bei 1. Acustica International;

2012 ————-Organisation von Metropolis Köln (Auftrag des WDR für Bill Fontana)

2012 ————-Konzerte in Deutschland sowie im europäischen Ausland mit eigenen live-elektronischen und Text-Sound-Kompositionen;

2012 ————-Radio-Features für div. ARD-Anstalten u.a. über: David, Malcolm Goldstein, Nic Colins, Gordon Mumma, Composer Inside Electronics