Kölner Stadtanzeiger   (2007 – 08 – 28)

Poetische Hommage an den Kunststoff

Vier Skulpteure machten den Vorgebirgspark für einen Tag zum Kunstgarten.

Stütze für oder Attacke auf das bedrohte Grün?
Jahr für einen Sonntag besonders auf diesen Park hinweist.
Schließlich war das mit Gartenanlagen und frei nutzbaren offenen Wiesenflächen konzipierte Areal 1911 vom Gartenbauarchitekten Paul Encke als erster Volkspark Kölns entworfen worden. In diesem Jahr nahmen die Künstler Lutz Fritsch, Kai Richter, Annette Sauermann und Claudia Schmacke an der seit 1999 zum achten Mal stattfindenden Veranstaltung teil. Das Konzept besteht darin, innerhalb der vorgegeben Struktur der Gartenanlage ein künstlerisches Spannungsfeld zu schaffen, in dem Skulpturen und Pflanzenwuchs, traditionelle Gartenbaukunst und moderne kreative Eingriffe einander gegenseitig auf die Sprünge helfen.

Raderberg – Köln hat viele schöne Parkanlagen. Einige davon führen allerdings ein von großen Teilen der Bevölkerung unbemerktes Dasein. Der Vorgebirgspark an der Kreuznacher Straße gehört dazu, auch wenn er durch die Verkehrsberuhi¬gung der Kierberger Straße in jüngster Zeit als Grünoase nochmals aufgewertet wurde. So ist es immer wieder erfreulich, wenn das Kunstereignis „Vorgebirgspark Skulptur“, organisiert von der umtriebigen IG Kunst im Park, einmal im

Wie solche Kunst bei den Spaziergängern ankommt, führt unweigerlich zur Beantwortung der Frage, wie moderne Kunst überhaupt beim „normalen Volk“ ankommt. Weil ein gewohnter Weg plötzlich durch hunderte Plastiktüten, gefüllt mit einer grünen Flüssigkeit, versperrt waren, riefen nicht wenige Parkbesucher erstaunt aus: „Was soll soviel Unnatürlichkeit in einer schönen Naturumgebung?“ Die in Berlin lebende Künstlerin Claudia Schmacke wollte mit dieser künstlichen Grünfläche „das Licht einfangen“, sorgte aber bei manchen Besuchern vor allem für Rätselraten über die Art der Flüssigkeit.
Als weitaus poetischer empfanden die meisten dagegen die gelbgrünen Kreise aus fluoreszierendem Kunststoff, die im Wasserbecken des Rosengartens über die Oberfläche glitten. Die Aachener Installationskünstlerin Annette Sauermann verband mit ihren 13 abstrakten Blättern im künstlichen Leuchtlicht die Hommage an das moderne Kunststoffzeitalter mit der Hommage an die ewige Kraft der Sonne. Sie erinnerte damit zugleich an eine Zeit, als im Park noch Seerosen im Becken waren und ringsum Heckenrosen rankten. Massiv war dagegen das Baugerüst, das der Düsseldorfer Bildhauer Kai Richter um einen Baum herumbaute. Baumhaus oder Baustelle? Stütze für oder Attacke auf das bedrohte Grün? Viele Spaziergänger fragten: „Was wird da wieder gebaut?“ Die kuriose Konstruktion aus Gestängen, Brettern und Keilen hegte allerdings sogleich Zweifel daran, dass etwas Sinnvolles dabei herauskommen könnte. Damit waren die Besucher jenseits aller Parkromantik unverhofft mitten in der Realität angelangt.

Dagegen verwies der Beitrag des Kölner Bildhauers Lutz Fritsch wiederum unmittelbar auf den Park zurück. Er legte auf vier verwitterte, verwaiste Sockel Schichten aus Zucker und steckte in genau kalkulierter Anordnung winzige farbige Stäbe hinein. Die Korrespondenzen in diesen Modellen sollten die Struktur des Staudengartens aufgreifen, in dem vier von einem Rondell ausgehende Wege den Garten in vier Viertel teilen. Die Tagesausstellung entfaltete das ganze Spannungsfeld, in dem Kunst und Natur zueinander stehen. Soll die Kunst Brüche schaffen oder ästhetische Harmonien durch poetische Tupfer veredeln? Soll sie neue Dimensionen zeigen oder alte Sehnsüchte wach halten? Diese Fragen beantwortete, wie sollte es anders sein, jeder zufällig vorüber kommende Spaziergänger aufsehe Weise.

von Jürgen Kisters