Kölner Stadtanzeiger   (2012 – 09 – 06)

– QUER DURCH KÖLN – Donnerstag, 6. September 2012

Wo Kunst und Natur sich berühren

PRÄSENTATION

Mit vier Skulpturen-Arrangements verwandelte sich der Vorgebirgspark in einen Ausstellungsgarten
Raderthal. Parkanlagen und Skulpturen, das gehört zusammen. Doch wer bei dieser Verbindung noch immer an die traditionellen figürlichen oder kinetischen Plastiken denkt, sollte längst einmal die Ausstellung „Vorgebirgspark Skulptur“ besucht haben. Veranstaltet von der Interessengemeinschaft Kunst im Park findet diese temporäre Präsentation zeitgenössischer Skulpturen im Vorgebirgspark seit mehr als zehn Jahren statt. Für einen Tag verwandeln vier Künstler die Parkanlage an der Kreuznacher Straße mit viel Kreativität und bisweilen formaler Radikalität in einen Kunstgarten.
In diesem Jahr zeigten bei strahlendem Sonnenschein und dementsprechend vielen Besuchern Katja Butt, Christoph Dahlhausen, Karin Hochstatter und Birgitta Weimer ihre Werke. Nach dem bewährten Konzept bespielte jeder von ihnen einen der vier Raumbereiche im gestalteten Gartenteil der von Gartenbauarchitekt Fritz Encke in den Jahren 1911 bis 1913 errichteten Parkanlage. Nachdem gerade dieses Areal von Kölns erstem Volkspark lange Zeit ein Schattendasein führte, brachte die Skulpturenausstellung auch in diesem Jahr wieder den besonderen Wert des in der Großstadt bewusst gestalteten Naturraums ins Bewusstsein. Die Berührung von Kunst und Natur in einer Parkanlage wirft unweigerlich die Frage auf, was wir in solchen Parks erwarten.
„Von Kunst in einem Park erwarte ich, dass sie einen Akzent setzt, der über die imposante Schönheit von Bäumen oder Wegführungen hinausgeht“, sagte ein Besucher, der das Kunstereignis bereits seit Jahren kennt. Dass der Besucher, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will, in diesem Jahr mit den gezeigten Werken nicht ganz zufrieden war, war seinem Statement deutlich zu entnehmen. „Zu unverbindlich, zu klein-teilig“, meinten auch andere Kunstliebhaber. Was sollten sie denn von einigen aus dem Wasser des Teiches im Rosengarten herausragenden Kristallleuchtern halten? Der von Künstlerin Katja Butt beabsichtigte surreale Irritationseffekt hatte sich so schnell verflüchtigt wie eine Lichtreflexion auf der Wasseroberfläche. Daran ändert auch der konzeptuelle Kniff nichts, unter der
Wasseroberfläche quasi spiegelbildlich einen weiteren Kristallleuchter zu platzieren.
Da wurden die Besucher bei Christoph Dahlhausen Spiegeleffekten auf einer gebogenen, polierten Stahlplatte schon um einiges mehr verwickelt. Spaß und Irritation an der Verzerrung der gewohnten Wahrnehmung ließ im Gewand von Kunst einen Schimmer von Jahrmarkts-Kabinett aufscheinen. Viele Besucher verstanden allerdings nicht, warum der Künstler darauf beharrte, dass es sich bei diesen Spiegelbildern um Malerei handele.
Weil nicht nur theoretisch versierte Kunstspezialisten an diesem Tag durch den Park spazierten, lag nahe, dass viele Kunstbetrachter mit ganz lebenspraktischen Assoziationen den Werken entgegentraten. So riefen die ineinander verkeilten Ein-Personen-Zelte, die Karin Hochstatter auf den Betontischtennisplatten zwischen Bäumen arrangiert hatte, Reise-Erinnerungen hervor. Denn wer kennt nicht die möglichen Schwierigkeiten beim Aufbau eines Zeltes? Die Künstlerin selbst hatte allerdings mehr die Zelte der Demonstranten aus der Occupy-Bewegung im Sinn. Oder ein grundsätzliches Reflektieren über denRaum.
Was ist ein Raum? Und was unterscheidet einen Raum von einem Ort? Und reicht ein ungewohntes Kunstwerk, das einen Tag an einem gewohnten Ort steht, um Wahrnehmungen nachhaltig zu verändern? Den stärksten Nachklang werden fraglos die von Birgitta Weimer über die Wiese im Eibengarten ausgelegten abstrakten roten Formkörper aus Epoxydharz erzeugt haben. Bildnereien von solcher gleichermaßen poetischen wie aufheiternden Färb- und Formkraft hinterlassen Spuren in der Erinnerung. Genau das sollte der Anspruch von Künstlern sein, die ihr Werk in der Flüchtigkeit eines einzigen Ausstellungstages vor Augen führen.
VON JÜRGEN KISTERS