BILDGALERIE

"terminus herbaceus"

Naomi Liesenfeld ist eine Künstlerin, die sich mit den Grundlagen künstlerischer Produktion, insbesondere mit Basisfragen der Malerei beschäftigt. Wie, warum, mit welchen Farbmitteln und auf welchen Farbträgern kann und will man malen? Welche Anlässe, welche Beobachtungen aus dem Alltagsleben führen einen in die Beschäftigung mit Farben und damit in die Malerei hinein? Wer solche Fragen nicht nur an den Anfang des künstlerischen Prozesses, sondern ins Zentrum des eigenen Werkes stellt, hat freilich die Grenzen der Malerei im klassischen Sinne bereits überschritten.

Naomi Liesenfeld hat bis 2016 in Saarbrücken Konzeptuelle Malerei studiert. Ihr konzeptueller Ansatz führt sie immer wieder über das eigentliche Feld der Malerei hinaus in die Erkundung von Raumzusammenhängen und Materialwirkungen, in Bereiche also, die man eher als eine Domäne der Skulptur ansehen möchte.

Eine wichtige Rolle für zahlreiche Aspekte ihres Werks spielt die intensive Beschäftigung mit Pflanzen und ihren Farben. 2016 betrieb sie zum Beispiel ausgedehnte Farbstudien, für die sie die Eigenfarben von Pflanzen-, Frucht- und Gemüsesäften untersuchte und Pigmente aus gedörrten und fein gemahlenen Pflanzenteilen herstellte. Arbeiten aus dieser Reihe sind mit so exotischen Materialangaben versehen wie „Graphit, Aubergine, Erdkohlrabi und Süßkartoffel auf Aquarellpapier“.

Wer ein so ausgeprägtes Interesse an Pflanzen und ihren Farben mitbringt wie Naomi Liesenfeld, findet in einem öffentlichen Park mühelos Anknüpfungspunkte für ortsspezifische Arbeiten. Das Projekt, das sie für die Vorgebirgspark Skulptur 2018 konzipierte, wird im so genannten Staudengarten realisiert. Der Name dieses südlichsten der vier Sondergärten des Parks rührt daher, dass sich inmitten einer offenen, von Bäumen unterschiedlicher Art und Wuchshöhe umgebenen Rasenfläche ein rechteckiges, von Steinplatten eingefasstes Beet befindet, in dem üblicherweise Stauden angepflanzt sind. Naomi Liesenfeld hat sich dazu entschlossen, eine Reihe unterschiedlicher Wildstauden eigener Wahl in dieses Beet zu setzen und deren Farbigkeit zum Ausgangspunkt weiterer künstlerischer Interventionen zu machen. Für dieses Projekt, wie für viele andere Arbeiten der Künstlerin auch, bilden ausgedehnte Recherchearbeiten die konzeptuelle Vorbedingung, aus der sich nach und nach konkrete Farb- und Formideen entwickeln. Nachforschungen darüber, welche heimischen Wildstauden zu welchem Zeitpunkt in welchen Farben blühen, wie die Wuchs- und Blütenformen der einzelnen Pflanzen genau aussehen, brachten sie auf die Idee, den Blütenpflanzen farbige keramische Objekte zur Seite zu stellen. Die Keramiken hat sie mit Glasuren versehen, die sich an den zu erwartenden Blühfarben der Stauden orientieren. Mit den Keramiken, die sie zweimal

gebrannt und ein- oder zweifach glasiert hat, stellt Naomi Liesenfeld den komplizierten organischen Formen der Stauden klare, auf den geometrischen Grundformen Quadrat, Rechteck und Kreis basierende „Dialogpartner“ zur Seite. Insgesamt ein knappes Dutzend Keramikobjekte kommt so zum Einsatz.

Die Künstlerin hat sie im Staudenbeet, zwischen den Pflanzen, auf der Einfassung des Beetes und auf dem Rasen außerhalb davon verteilt. Zum Teil liegen oder stehen sie direkt auf dem Boden, zum Teil werden sie von je zwei kürzeren oder längeren Eisenstäben in die Höhe gehoben. Zwei der Objekte sind auf besonders langen Trägern angebracht, auf denen sie, wie die hohen Stauden selbst, bei jedem Windstoß hin und her schaukeln. Insgesamt ergibt sich aus der Kombination von blühenden Pflanzen und keramischen Objekten ein Raum voller Farb- und Formbeziehungen, der aus jedem Blickwinkel wieder neue und überraschende Ansichten bietet.

Mit der Auswahl an Wildstauden, deren Namen zum Teil in die Keramikplatten eingeritzt sind, deckt Naomi Liesenfeld ein breites Blüten-Farbspektrum ab: von Gelb (Scharfgarbe) über Orange und Rot (Echinacea), Purpur (Fetthenne), Rotviolett (Sommerflieder) und Blauviolett (Katzenminze) bis zu Blau (Rittersporn).

Hinzu kommen noch die weißen Blüten der auch als Prachtkerze bekannten Gaura Whirling Butterflies. Das jedenfalls ist der Stand der Dinge am 05. Juli 2018, an dem die Aufnahmen für den vorliegenden Folder entstanden sind. Ein wesentlicher Faktor der Arbeit von Naomi Liesenfeld ist der zeitliche Prozess, der sich ganz selbstverständlich aus der Arbeit mit lebenden Pflanzen ergibt. Da die Stauden unterschiedliche Blütezeiten aufweisen und ihr Gedeihen und Erblühen nicht zuletzt von den unkalkulierbaren Witterungsbedingungen abhängig sind, ist es möglich, dass am 2. September, an dem die Vorgebirgspark Skulptur 2018 stattfindet, manche der Stauden nicht (mehr) blühen und dass sie zum Teil von der Künstlerin ausgetauscht und durch andere Sorten ersetzt worden sind. Eine andere farbliche Zusammenstellung im Pflanzenbeet würde dann auch eine neue Konstellation der keramischen Objekte erforderlich machen.

Diese konzeptuelle Offenheit der Arbeit ist ausdrücklich gewollt, sie entspricht dem Prozess- oder Projektcharakter, der Naomi Liesenfelds Arbeitsweise grundsätzlich prägt. Wie auch immer die Arbeit letztendlich genau aussehen wird, auf jeden Fall wird sie einen Impuls von Leichtigkeit und Farbenfreude in den Vorgebirgspark einbringen.

– Peter Lodermeyer –

VITA

1982 geboren in Siegburg, lebt und arbeitet in Bonn

2010 – 2016 Studium der Freien Kunst, Konzeptuelle Malerei bei Prof. Katharina Hinsberg und Bildhauerei, Public Art bei Prof. Georg Winter an der Hochschule der Bildenden Künste, Saarbrücken. Meisterstudierende bei Prof. Katharina Hinsberg

2014 – 2015 Studienaufenthalt im Departement Kunst und Medien an der Zürcher Hochschule der Künste, Schweiz

Stipendien

2017 Atelierstipendium des Bonner Kunstvereins

2016/2017 artmix10 – Deutsch-Luxemburgischer Künstleraustausch

2015 GOPEA Förderung

seit 2012 Stipendiatin der Künstlerförderung des Cusanuswerks, Bonn

2011 Fördinand, Studienstiftung Saar

Mitglied des PLANET DANCE ENSEMBLE, AG AST Arbeitsgemeinschaft Anastrophale Stadt,

S_A_R Projektbüro

Ausstellungsbeteiligungen (Auswahl)

2018 zugegen / von dannen, Kunstverein Ulm (solo)

Vorgebirgspark Skulptur Köln mit Iris Hoppe, Alice Musiol, Hannah Schneider

2017 WALKING ACROSS THE HARVEST MOON, artmix 10 mit Marion Cziba, Aude Le Grande,

Nora Wagner, Stadtgalerie Saarbrücken / Saarländische Galerie Berlin

ÉTAT D‘ESPRIT Landeskunstausstellung Pingusson-Bau Saarbrücken

Momentum mit Artjom Chepovetskyy, Evgenij Gottfried, Ruth Kroll, Eunji Seo,

Galerie Kunstraum 21, Bonn

55 kunstwerken uit Duitsland, GOPEA Villa de Bank, Enschede

2016 Farbstudie 1/2016 mit Werner Constroffer, Stefan Zöllner, Saarländisches

Künstlerhaus Saarbrücken

Start55, Galerie hase 29, Osnabrück

Modulhaus für Flüchtlinge [mit S_A_R Projektbüro und HTW SAAR]

Architekturbiennale Venedig

tjurip Absolventenausstellung, Fasanerieweg 17, Saarbrücken

2015 VvsV, Städtische Galerie, Villingen-Schwenningen

acopyofa, Galerie OQBO, Berlin

Mythische Käse und Wirkliche Käse mit Kolja Gollub, Sophia Kesting,

Benedikt Leonhardt, Anna Nero, Lukas Sünder, Zollamt Studios Offenbach

2014 Tel. 01578-7500686, Galerie 52, Essen

WELCOME DEADLINE, Kunstraum Toni Areal, Zürich

2013 diffused Raumprozess – Malerei/Zeichnung/Material Kuba, Saarbrücken

AG AST Wunder der Prärie, zeitraumexit, Mannheim

Anonyme Zeichner, Galerie Nord / Kunstverein Tiergarten, Berlin

naomi.liesenfeld@gmail.com