Kölner Stadtanzeiger   (2006 – 09 – 30)

Ein Denkmal auf Zeit

Künstler stellten im Vorgebirgspark ihre Arbeitenaus

Die Rosen an der Gartenlaube erblühten für einen Tag; das in den Rasen geschnittene Stück Autobahn wird sich dagegen noch eine Weile halten.

Rderthal – Die Straßenschneise. die der Künstler Ralf Witthaus ins Grün gemäht hat. ist nicht wirklich seiner eigenen Phantasie entsprungen. Vielmehr planten in den 60er Jahren im Zuge der „autogerechten Stadt“ mehrere Kölner Ämter tatsächlich eine mehrspurige Stadtautobahn, die über den Aachener Weiher bis zum Bonner Verteiler führen sollte Die Straße wurde nie gebaut.

Nun führte Ralf Witthaus dem Betrachter die damalige Wirtschaftswunder-Idee quasi als „vegetabiles Phantom“ vor Augen So drückte sich Gerhard Kolberg. der Oberkustos des Museum» Ludwig, bei der Eröffnung der Ausstellung Skulptur im Vorgebirgspark“ aus Mit dem Rasenmäher hatte der Künstler ein „Denkmal auf Zeit in die Landschaft gezeichnet Bald wird wieder Gras über die Sache gewachsensein. Was bleibt, ist höchstens die Erinnerung an den abwegigen „Streckenabschnitt Vorgebirgspark“.

Zum siebten Mal diente der Gartenraum des Vorgebirgsparks als Bühne für ein mitunter ironisch vorgeführtes Zusammenspiel von Natur und Kunst. Einen Tag lang wurden im Park mannigfaltige Erlebniswelten eröffnet Ein doppeldeutig-freches WerkpräsentierteTom Koesel mit seinem „Gelato Promonte“. „Wann ist die Eiszeit zu Ende?“, fragte er den Betrachter. Der hörte aus dem Lautsprecher das knackende Geräusch schmelzender Eisblöcke. und er war überzeugt: Lang hält das Eis nicht. Während die Blöcke also vergingen, durften die Besucher einen anderen Aspekt von Eis erleben – einen cremig-süBen und nach Johannisbeere und Stachelbeere schmeckenden: Das „Gelato Promonte“ „das Vorgebirgseis“. frisch vom Eiswagen.

Einem Blütenrausch gab sieh die Künstlerin Ellen Keusen hin. Das magere „Walfischgerippe einer Gartenlaube“, so Kolberg. hatte sie in einen Blumen-Iglu verwandelt und mit 4000 Schießbudenrosen bestückt. Die Kunstinteressierten schlüpften durch den niedrigen Eingang in die blühende Schießbudenrosenlaube. Herauskamen sie schmunzelnd und betört vom Plastikblumenüberfluss. „Da fehlt nur der Duft“, sagte eine Betrachterin.

Einen verwaisten Sockel im Staudengarten hatte Ingrid Roscheck mit einem keramischen Kunstwerk belebt und zudem mitten in den Gartenraum einen quasi-mobilen Wagen aus Keramik gestellt Der glich einem barocken Kabinettschrank und hielt beim genauen Hinschauen inspirierende Überraschungen bereit: Minifiguren, Grotten, geheime Innenwelten und verlorene Paradies. die sich freilich nur demjenigen eröffneten, der bereit war, für einen Moment dorthin zu reisen.

Auch im nächsten Jahr soll die Kulturveranstaltung im Vorgebirgspark stattfinden, wenngleich es immer schwieriger werde, finanzielle Mittel von Sponsoren aufzutreiben, hieß es vonseiten der Initiatoren. Die Kunstaktion – die Bezirksbürgermeisterin Monika Roß-Belkner bezeichnete sie als „Kulturveranstaltung“ – wird seit Jahren von der „IG Kumt im Park“ initiiert, einem Team von ehrenamtlich arbeitenden Freunden von Kunst und Natur.

Von Ulrike Süsser

Bildtext
Blumen-Iglu, Schießbuden-Rosenlaube, Flower-Power-Hütte: Man kann das Kunstwerk nennen wie man will. Farbenprächtig ist es allemal. Auch wenn die Blüten nur aus Plastik sind.
Bild: Süsser

Kölner Skizzen –  Heft 4, 28. Jahrgang

Über das 6. Skulpturenprojekt im Kölner Vorgebirgspark

Am Sonntag, dem 27. August 2006, fand im Kölner Vorgebirgspark zum sechsten Mal die alljährliche Skulpturenausstellung statt, die sich nach ihrem Präsentationsort benennt und von einer Gruppe engagierter Kunstfreunde organisiert wird. Allgemein gelten Urbane Parkanlagen als verlängertes Wohnzimmer der Stadtbewohner. Und wirklich: der östliche Teil des Vorgebirgsparks bietet, so, wie es vor fast einhundert Jahren die Intention seines Schöpfers, Gartendirektor Fritz Encke, gewesen war, vier durch Hecken separierte „Gartenräume“ zum Erholen an. Diese unterschiedlich gestalteten „Wohnzimmer“ inspirierten auch in diesem Jahr vier eingeladene Künstlerinnen und Künstler zu vier phantastischen Kunstwerken für einen Sommertag. Es war reiner Zufall, dass diesmal alle vier Künstler aus Köln kamen.

Im sogenannten „Baumhof“ erwartete den Parkbesucher ein leckeres Kunstwerk, das unter großem Zeitdruck stand. Tom Koesel bot nämlich, gemeinsam mit Signore Giacomo Ferigor, „Eisprofessor“ und Padrone des unweit gelegenen Eiscafes „II Gelato“, zwei wahrhaft exotische Sorten cremigen Speiseeises an – gemacht aus Johannis- und Stachelbeeren des nahen Vorgebirges. Deshalb mit „Gelato Promonte“ übersetzt. Eine Kugel Johannisbeereis erhielten die den beschirmten Eiswagen umringenden Feinschmecker umsonst, die zweite Portion aus Stachelbeereis bekam nur, wer die den Pappbecher zierende Frage „Wann ist die Eiszeit zu Ende?“ klug beantworten konnte. Aus Lautsprechern knackte es rätselhaft! Wer sich nun zum „Südgarten“ hin begab, konnte in einem nach Kakao duftenden Beet mächtige Eisblöcke schmelzen sehen – daher das Knacken am Eiswagen! -, die aneinander gelegt das Wort ZEIT ergaben -denn EIS waren sie ohnehin! Normalzeituhren prognostizierten, dass um 13:13 Uhr das Fruchteis aufgegessen und die Eisblöcke um 15:13 Uhrgeschmolzen sein werden. Wer nachdenklich bei der eisigen Schrift verharrte, hörte über Lautsprecher das fröhliche Gerede am fernen Gelati-Wagen: „Business as usual“ in einer Zeit der bedrohlich schmelzenden Polkappen und Alpengletscher.

Nicht der ungewöhnlich glutheiße Sommer ließ im erwähnten „Rosengarten“ die florale Namenspatronin durch Abwesenheit glänzen, sondern lange schon wölben sich infolge Geldmangels seine, für blühende Rosenranken gebauten Metallpergolen wie weiß gebleichte Walfischgerippe. In diesem Jahr reagierte Ellen Keusen, Bildhauerin und Zeichnerin, mit der ironischen Methode der kontrastierenden Übertreibung auf dieses floristische Defizit. In einer der vier behaglichen Heckenkojen ließ sie eine üppige „Rosenlaube“ entstehen, deren farbige Blumenpracht von rauschartigem Überfluss war. Das poppige und gleichzeitig surreale „Rosenwunder“ erwies sich bei näherer Betrachtung als verschwenderisches Gesteck aus 4.000 Schießbudenrosen. Eine feste Kunststofffolie war über die nackte Pergola gezogen und mit den langstieligen Blumenimitaten bestückt worden. Fertig war die Laube! Keusens „Flower power-Hütte“ lud zur äußeren und inneren Betrachtung ein. Egal, ob es sich um ein Fake handelte – Kunst ist stets artifiziell! Es war ein ästhetisches Vergnügen und eine Erinnerung an jene wirkliche Rosen, die man im „Rosengarten“ einst fand. Vom Standort des „Gelato Promonte“ aus konnte der Besucher auch direkt in den benachbarten „Staudengarten“ schlendern, der, vor allem seiner, Zypressen ähnlichen dunklen Eibenbäume und tragisch leeren Skulpturensockel wegen, schon manchen Romantiker an mediterrane, an arkadische oder paradiesische Landschaften erinnert hat. Auch die Keramikbildhauerin Ingrid Roschek erkannte die barocke Note dieses Gartenraumes. Als hielte die Künstlerin eine imaginäre Reise in einer skulpturalen „Ansichtskarte“ fest, schuf sie für diesen märchenhaften Garten eine wie „gewachsen“ wirkende Keramikplastik mit dem Titel „Zurück aus Arkadien“. Man begegnete einer Art Kabinettschrank auf Rädern, gegliedert in drei ineinander fließende Gestaltungsebenen. Eine untere und eine obere aus kubischen Keramikgefäßen, die heckenartige, labyrinthische Gassen bilden, sowie eine narrative mittlere aus verschachtelten, liliputartigen Zimmern und Grotten. Eine Bildergalerie, eine „galante Szene“, „Freund Hein“ mit zur Ernte bereiter Sense, ein „Hortus conclusus“ und einige Kyklopenbäume, die frech zurück glotzen, waren zu sehen. Alles einheitlich eingefärbt von einer glänzenden grünen Glasur.

Der Kölner Vorgebirgspark ist groß und ein Naherholungsgebiet ersten Ranges. Ralf Witthaus thematisierte dessen einstige Gefährdung durch eine imposante Rasenmäherzeichnung, die er maschinell an mehreren Sommertagen in das sprießende Gras der großen Parkwiese schnitt – begleitet von mannigfaltigen Fragen nach Sinn und Ziel der aufwendigen Arbeit. Seine vegetabile, 500 Meter lange Bodenplastik hieß „Streckenabschnitt Vorgebirgspark“ und bezog sich auf die stadtkölnische Verkehrsplanung der 1960er Jahre im Zuge der damals verbreiteten Wirtschaftswundermarotte von der „autogerechten Stadt“ – gegen die damals Wolf Vostell in Köln mit seiner Autobetonierung „Ruhender Verkehr“ (1968) protestierte. Witthaus zauberte aus dem Wiesengras mittels verschiedener Mähhöhen die kurvige Trasse mit Fahrbahnmarkierungen, Gehwegen und Ampelpunkten hervor. Glücklicherweise wurde das Projekt einer Stadtautobahn an dieser Stelle nicht realisiert. Längst ist Gras über das ehrgeizige Vorhaben gewachsen – und über Ralf Witthaus‘ Denkmal auf Zeit inzwischen auch. Bis zum nächsten Sommer im Vorgebirgspark!

von Gerhard Kolberg