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Nicht mehr als ein Augenschlag / eins bis sechs

Aus einem Ensemble von sechs großen Schautafeln, die getragen von staffeleiähnlichen Gestellen freistehend im Immergrünen Garten des Vorgebirgsparks platziert sind, besteht Harald Fuchs‘ Installation Nicht mehr ab ein Augenschlag / eins bis sechs. Im Wortsinne vielschichtig sind die Tafeln. Drei gut unterscheidbare Bildebenen durchdringen und überlagern sich in ihnen. Harald Fuchs, der sich in seinem ganzen Werk mit den verschiedenen Welt- und Wirklichkeitserklärungsmodellen der Naturwissenschaften (und auch der Religionen) auseinandersetzt, verwendet als visuelles Ausgangsmaterial Vorlesungsmitschriften des Naturwissenschaftlers Wolf Isselhard aus den frühen 1950er Jahren. In sorgfältigen Skizzen und graphisch reizvollen Notationen geht es in ihnen vor allem um genetische und zoologische Themen. Repräsentiert diese Bildschicht – die stark vergrößerten Heftseiten sind noch gut zu erkennen – den Erkenntnisstand, die Erklärungsmodelle jener Zeit, so überblendet Fuchs diese mit Diagrammen, Tabellen und Illustrationen aus neusten Publikationen zu den gleichen Fragestellungen. Auf dieses Gemenge reagiert der Künstler mit eigenen zeichnerischen Eintragungen, Akzentuierungen. Diese geraten förmlich zwischen die verschiedenen Zeitschichten, die für einander ablösende Ansprüche auf Wahrheit und Objektivität, den Versuch Natur zu begreifen, stehen, der – gemessen an der Entwicklungsgeschichte der Natur selbst – Nicht mehr als ein Augenschlag sein kann.

Mysteriös sind die in den Tafeln steckenden Pfeile. Jeweils eines dieser archaischen Jagdwerkzeuge oder modernen Sportgeräte hat ihr Ziel gefunden, ist in die Bildoberfläche eingedrungen und hat die stabile Dibondplatte durchschlagen. Aus dem Raumdes Betrachters müssen die Schüsse erfolgt sein, sie alle galten visuell markanten Partien der Tafeln, und so wirken die Pfeile auch wie Hinweise, Fingerzeige, die die Bilder um eine dritte Dimension bereichern. Neben der diesen kunstvollen Treffern innewohnenden Aggressivität – die Bilder wurden gezielt attackiert, und der ikonoklastische Akt gilt auch den dargestellten Inhalten, stellt handgreiflich das dort übereinander Geschichtete in Frage – Lässt sich eine andere, positive Lesart dieses Beschusses entwickeln. Sie versteht die Pfeileinschläge als Zeichen. Nicht mehr als ein Augenschlag, nicht länger als ein kurzer Moment, fliegt der Pfeil, durchschlägt sein Ziel. Auch der Moment der Erkenntnis, das Begreifen eines Zusammenhangs, das Aufscheinen einer Wahrheit (auch in den Naturwissenschaften) hat etwas kaum fassbar Plötzliches, alles kommt in einem Punkt zusammen, stellt sich schlagartig als Treffer ein. Der Pfeil im Bild konzentriert Fuchs‘ Skepsis gegenüber allen unverrückbaren Wahrheitsansprüchen und ist zugleich eine markante Metapher für das Erkennen selbst.

Dass Fuchs‘ Tafelwerk seine Aufstellung inmitten der zivilisierten Natur des Parks findet, konfrontiert – zumindest ein Stück weit – verschiedene faszinierende Versuche, Erkenntnisse anschaulich, fassbar zu machen mit dem Erkenntnisgegenstand selbst. Die Natur scheint den Wissenschaften aus dem Blick geraten, ihre – freilich unverzichtbaren – Einsichten wirken weit entfernt von aller Unmittelbarkeit und Anschauung. Allein in divergierenden Modellen, in Detail- und Einzelannäherungen entwickeln sie ihre Bilder der Natur, die mit sinnlicher Naturerfahrung nicht mehr zur Deckung zu bringen sind.

Jens Peter Koerver

VITA

1954——————-in Oberfranken geboren

————————–Studium Grafik-Design und Studium Freie Grafik(Akademie der Bildenden Künste Stuttgart bei Prof. Schoofs)

1990——————Stipendium Deutsche Akademie Villa Massimo Rom (Casa Baldi / Olevano Romano)

————————–

seit 1992 — ——-Professor im Bereich Kommunikations-Design/Mixed Media in Düsseldorf, (seit 1995University of Applied Sciences and Art)

1981 -2010— —–Umfangreiche Dokumentationsarbeiten über traditionelle Medizinmänner, hierfür 19 Forschungs­reisen vornehmlich auf den afrikanischen Kontinent.

1994 – 2010—-  –mehrere Licht-, Foto- und Videoinstallationen im Theaterbereich und als ständige Ausstellungin nationalen und internationalen Museen, Galerien, Kunstvereinen und öffentlichen Gebäuden

1997——————Hermann-Claasen-Preis für Fotografie und Medienkunst

2003——————Kulturpreis der Stadt Rehau

 Lebt und arbeitet in Düsseldorf und Köln

Einzelausstellungen und Installationen (Auswahl)

 2009——————-Tanz durch den Morpho-Raum, München, ERES-Stiftung / Kunst und Wissenschaft

      Trotzige Mythen, Ausstellungsprojekt: Eine Höhle für Piaton Bonn, Montag Stiftung Bildende Kunst

2008———   — ——Tabula rasa: der kontaminierte Blick, Lago Maggiore (I), Isola Bella

—————- ———–Die Hybrid-Kontroverse – und die Trommeln von Malaga,Köln, Fuhrwerkswaage, Kunstraum e.V.

2007————— —-Das Paradoxe von Schrödingers Katze (oder wie wäscht man sein Geschirrmit schmutzigem Spülwasser…) Kleve, Museum Schloss Moyland

2005———– ——–Libreville, Berlin, Palast der Republik, „FRAKTALE 4″

 

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