Schmuck
Eine diskrete Provokation ist nicht nur der Titel der Arbeit. Schmuck mag ein altehrwürdiger, kulturermöglichender Gegenstand, ein Kernstück der Entwicklungen sein, die viel später unter den fassettenreichen, schillernden Begriff Kunst gefasst werden, eine der frühesten und lange auch vornehmsten Aufgaben dieses Tätigkeitsfeldes, zudem verbunden mit Magie, Ritus, symbolischen Bedeutungen und feinen Unterschieden. Dennoch ist er spätestens mit der Moderne in Verruf geraten, abgesunken in den Bereich der lediglich angewandten Kunst, des Kunsthandwerklichen, im Rufe stehend allenfalls noch hübsches Beiwerk oder eine zweifelhafte Statusdemonstration zu sein. Es ist wohl kein Zufall, dass parallel dazu der Begriff der Schönheit für die bildende Kunst zunächst problematisch, dann vermeintlich obsolet geworden ist und zu den „Selbstverständlichkeitsverlusten“ (Stefan Majetschak) eben dieser Moderne zu rechnen ist. Wenn Hans-Peter Webel seine vier skulpturalen Stücke Schmuck nennt, so vermischt er – zunächst nur begrifflich – sonst sorgfältig getrennt gehaltene Sphären des Kunstbetriebs und perforiert gleichzeitig – und dies praktisch-anschaulich – die Vorstellungen dessen, was Schmuck (und damit verbunden: Schönheit) sein kann, darf und bewirkt; nicht zuletzt, wenn dieser Schmuck einen Mann, den Künstler selbst schmückt.
Schmuck ist erst in seiner vollen Bedeutung Schmuck, wenn er getragen wird, sich mit dem Körper des Trägers verbindet, ihn verändert, verwandelt, ergänzt, Kontrast schafft. Hans-Peter Webels Schmuck sind zunächst vier plastische Objekte, die sich durch Material und Form, ihre Anmutung und ihr assoziatives Potential, schließlich ihre möglichen Anbindungen an diverse Spielarten und Traditionen des Schmückens deutlich voneinander unterscheiden. Sie belegen die vier Sockel des Immergrünen Gartens, der anders als die drei anderen Gartenteile kein Durchgangs- sondern ein abgeschirmter Zutrittsraum mit lediglich einem Entree ist und dem intimen Charakter dieser Arbeit entspricht. Auf den verwitterten Sockeln ruhend, werden sie den Blicken der Betrachter präsentiert, wollen aus der Nähe, im Detail gesehen werden, liegen bereit. Im Stundentakt wird der Künstler eines nachdem anderen von seinem Sockel nehmen, es aufsetzen und tragen, sich geschmückt zeigen, indem er sich vor dem Sockel stehend langsam einmal um die eigene Achse dreht. Anschließend nimmt er das Stück wieder ab und stellt es zurück. In gleicher Weise verfährt er mit den drei anderen Skulpturen. Dabei sind die Wege von einem Sockel, einem Objekt zum nächsten integraler Bestandteil der Arbeit, da sich der Künstler während dieser Gänge ungeschmückt zeigt, sein beim Tragen der Skulpturen ganz oder teilweise verborgener Kopf, sein Gesicht sichtbar sind. Dieser schmucklose (Zwischen)Zustand, macht die relativ knappe Spanne des Geschmücktseins, die Phase der Differenz – auch durch ihre aufmerksamkeits- und konzentrationssteigernde Kürze – zu einem umso markanteren Ereignis.
Auch wenn der Künstler auf traditionelle schmückende Materialien (Blumen für den Rosenbart, die im Laufe des Tages welken werden) oder ein seit der Antike überliefertes Fries zurückgreift (das als Eierstab bekannte Muster des gipsernen Zwischen-Stücks ist als ionisches Kyma ein bis heute vertrauter architektonischer Zierrat) und auf folkloristische Schmuckformen wie die Erntekrone (die ornamental mit Obst und Gemüse bestückte unbetitelte Arbeit) oder historische Trachten (Haube aus weich-wabbelndem Silikon) anspielt, ist sein Schmuck als Schmuck befremdlich. Nicht beiläufig anzulegen und in den Alltag, auch nicht den Festtag integrierbar, kann das Tragen dieser Stücke nur ein bewusster, konzentrierter und zeitlich begrenzter Akt sein. Hans-Peter Webel hat diese vier Objekte für sich gemacht, als allein von ihm zu tragende Stücke sind sie wesentlicher Teil eines vom Künstler vorgestellten lebenden Bildes, das entsteht, wenn jede dieser vier Arbeiten als „Skulptur am Körper“ getragen wird und diesen in einem Akt des „paradoxen Schmückens“ (Hans-Peter Webel) verändert, verfremdet, erweitert, entstellt. Wer sich schmückt, will etwas von sich zeigen, sich verwandeln, stellt eine Selbstbehauptung auf. Dabei geht es (unter der Hand) auch um die Herausforderungen, die Zumutungen und diskreten Provokationen der Schönheit.
Vita
1953—————geboren in Lahr/Schwarzwald
1978-1984— —Studium der Freien Kunst an der HfBK, Hamburg bei
———————–Franz Erhard Walther
1986—————Arbeitsstipendium der Stadt Hamburg
1988-1989——Karl-Schmidt-Rottluff-Stipendium
lebt und arbeitet in Köln
Einzelausstellungen (Auswahl)
2012—————purpur-zier, Städtische Galerie Schloss Borbeck, Essen
2005—————Galerie Hafemann, Wiesbaden
2001—————anmachen, Nassauischer Kunstverein, Wiesbaden
———————–Volumen, Diözesanmuseum, Köln (Katalog)
1998—————Galerie Renate Schröder, Köln
1997—————Galerie Hafemann, Wiesbaden
———————–Japanisches Kulturinstitut Köln, zusammen mit Hiroko Nakajima
———————–Wegführung, Stiftung Friedrichsheim, Frankfurt
———————–Buchmann Galerie, Köln
1996—————lichte Weite, Städtische Galerie Würzburg (Katalog)
1995—————Museum Abteiberg, Mönchengladbach (Katalog)
1993—————einmal im Zuge…, Neue Kunst im Hagenbucher, Heilbronn
1991—————durch die Wand, Pestalozzi-Gymnasium, Idstein
1990—————Galerie Hafemann, Wiesbaden
1988—————Skulpturen, Ausstellungsraum Fettstraße, Hamburg
———————–Zeichnungen, Künstlerhaus Hamburg
Ausstellungsbeteiligungen (Auswahl)
2008—————ausbüchsen, Kunstsommer Wiesbaden
———————–Garten z.B., Ausstellungsprojekt Claudia Busching,
———————–Neuwerder/Brandenburg
2007—————25 Jahre, Galerie Hafemann, Wiesbaden
2001—————vorOrt, Galerie Hafemann, Wiesbaden
2000—————Jahresgaben 2000, Kölnischer Kunstverein
1996—————letzter Aufguss, Düsseldorf
1994—————Elisabeth-Schneider-Stiftung, Freiburg
———————–Gips, Nassauischer Kunstverein, Wiesbaden
1991—————Karl-Schmidt-Rottluff-Stipendium, Kunsthalle Düsseldorf (Katalog)
1988—————Linien, Galerie Rolf Ricke, Köln
1987—————Ausstellung der Jürgen-Ponto-Stiftung, Kunstverein Frankfurt/Main
———————–und Kunstverein Hamburg
1986—————Stipendiaten 1986, Kunsthaus Hamburg (Katalog)
1984—————Kunstlandschaft Bundesrepublik, Krefelder Kunstverein
1982—————Malmittel und seine Verwendung im Bilde, Schönstraße 8, Hamburg