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Crystal Wet

 Vielfältig ist das sich im Laufe eines Sommers im Bassin des Rosengartens sammelnde Treibgut. Kaum einmal aber werden sich dort so seltsame und zugleich akkurat arrangierte ortsfremde Dinge einfinden wie im Falle der vier Kronleuchter, die dort zwischen den das Gewässer schmückenden fünf Seeroseninseln in die Höhe ragen wie Reste eines schönen Untergangs. Bedrohlich schief (als würden sie jeden Moment umkippen) stehen oder eher stecken sie im Wasser. Sichtbar auf die lange Mittelachse des Beckens bezogen, ein wenig aus der Reihe tanzend, jedoch mit Sinn für Ordnung und regelmäßige Abstände. So ergänzen sie den schwimmenden Blumenschmuck um hier nicht erwartbaren Innenraumschmuck, reichern die impressionistische Standardsituation des Seerosenbeckens mit nostalgisch-surrealem Verwirrungsdekor an.

  Es sind keine kostbaren PrunkLeuchter, die sich im Wasser spiegeln, vielmehr handelt es sich um preiswerte Massenware in zeitlos rückwärtsgewandter Manier, aber immerhin mehrarmige, sich nach oben (eigentlich unten) verbreiternde Stücke aus beige lackiertem Metall, verziert mit einigen floralen Auswüchsen und mit Kerzenwachslaufnasen versehenen Fassungsverkleidungen aus Kunststoff. Vor allem aber sind sie mit allerlei funkelnden Glaskristallen behängt, die, Sonnenschein vorausgesetzt, auch ohne elektrische Leuchtmittel, künstlichen Glanz verbreiten und mit den auf der Wasseroberfläche treibenden Lichtreflexen konkurrieren können. Selbstverständlich verdoppelt die Wasseroberfläche spiegelnd diesen seltsamen, verdrehten vierfachen Anblick, der sich beim Nähertreten, beim Blick ins Wasser, unter dessen Oberfläche, ins Phantastische, zunächst nicht ganz Fassbare weitet. Denn unterhalb der Spiegelbilder, von diesem überlagert, sich mit diesem mischend ist eben der über dem Wasser sichtbare Leuchter noch einmal, nun aber als reales Objekt zu sehen. Dieser Unterwasserleuchter (ein mit warenförmiger Präzision gefertigtes Ebenbild des Überwasserstücks) ist eine Realspiegelung des aus dem Bassin herausragenden. Sie berühren sich ungefähr auf Höhe der Wasseroberfläche, dort also, wo die Leuchter an der Raumdecke fixiert würden (was dem Wasser eine zusätzlich irreale Dimension verleiht) und wo zudem die bewegliche Spiegelung und Gespiegeltes aneinander stoßen. Die Konstellation aus den offen zu Tage liegenden, den bereits Kopfstehenden Leuchtern über der Wasseroberfläche – schon dies eine verdrehte, verkehrte Situation – und ihren unter der Oberfläche, mithin im Bereich des Verborgenen, zumindest im nicht völlig Einsehbaren befindlichen Pendants, die auch durch die optische Brechung des Wassers zusätzlich verrückt werden, werden durch die trügerischen, zwischen und über ihnen schwimmenden Spiegelbilder und die viermalige Wiederholung vollends zu einem verstörenden Anblick, der an einer ordnungsgemäßen Tätigkeit der eigenen Sinne zweifeln lässt.

  Crystal Wet hat Katja Butt ihre Installation im Bassin des Rosengartens genannt. Was zunächst lediglich der nüchterne Hinweis auf den ortsbedingten Zustand der gläsernen Schmucksteine zu sein scheint, mutiert bei assoziationsbereiter Betrachtung des Titels zu „Crystal Meth“, dem Namen einer Partydroge. Auch (und vielleicht gerade) bei nüchterner und genauer Betrachtung beschert Crystal Wet ein irritierendes Unwirklichkeitserlebnis wie es möglicherweise Drogenkonsum mit sich bringt. Die vorübergehende Umordnung der Dinge wie sie die Arbeit von Katja Butt betreibt, handelt nur nebenbei von einer möglichen (vollkommen nüchtern herbeigeführten) Entriegelung der Sinne, viel eher geht es um die Störanfälligkeit unserer Wahrnehmungen, die nach wie vor virulente (In)Differenz zwischen Schein und Sein, die diffizile Beschaffenheit des Wirklichen.

  Verblüffend einfach ist der Kunstgriff, der all dies in Gang setzt. Jeweils zwei Lediglich von ihrer Elektrifizierung befreite Deckenleuchter („Kronleuchter venezianisch, fünfarmig, 0 62 cm, creme“) werden Spitze an Spitze, gewissermaßen kopfüber aufeinander montiert und mit einfachen Fixierungen im Bassin platziert. Alles Vergnügen und (fast) alle Fragen, Antworten ob dieser ebenso simplen wie einleuchtenden Konstellation über, unter und auf dem Wasser verdanken sich dem Zusammenspiel der bedenkenlosen Täuschungsbereitschaft des Auges mit der blinden Skepsis des Denkens, der Dauersollbruchstelle zwischen Sehen und Wissen.

  Jens Peter Koerver

Vita

  geboren in Oldenburg / i. 0., lebt und arbeitet in Köln

  1983……….Studium an der Kunstakademie Münster, Hochschule für Bildende Künste

 1991……….Akademiebrief mit Auszeichnung (Diplomgrad)

 2012………….Professur an der Rheinischen Fachhochschule Köln gGmbH

 …………….. im Fachbereich Medien, Studiengang Mediendesign

 Preise und Stipendien

  1998……….Stipendium im Herrenhaus Edenkoben, Pfalz

 1997……….Stipendium der Stiftung Kunst und Kultur des Landes Nordrhein-Westfalen

 1996……….Stipendium des Kunstfonds e.V., Bonn

 1995……….Kulturförderstipendium der Westfälischen Wirtschaft, GWK, Münster

 1994……….Stipendium des Landes Nordrhein-Westfalen im Künstlerdorf Schöppingen

 1987……….Förderpreis der Kunstakademie Münster, Hochschule für Bildende Künste

 Einzelausstellungen (Auswahl)

  2011……….Wasserkur – Videoinstallation, Das Labor im Rheintor, Linz am Rhein, mit Heidrun Grote

 2009/……….Gertrude Stein. Weiter anfangen. Wir fangen an. Ein Theaterabend,

 2010………..Studiobühne Köln, mit Heidrun Grote

 2008………..Photoarbeiten 2001 – 2008, Monat derFotografie, Kunstverein Hof,

 ………   Galerie im Theresienstein, mit Max Dietz

 2006………..Photoarbeiten, GaLerie Josef Nisters, Speyer

 ………….Häuser in Ehrenfeld, Fotoarbeiten, Bühne der Kulturen, Köln

 2003………..Träger-Videoinstallation, Künstlerhaus Dortmund

 2001………..Dropping – Videoinstallation, AkiyamaGalLery, Tokio

   ……….Häuser, Goethe Institut, Tokio, mit Harald Busch

 2000………..Notation – Videoinstallation, Kunstverein Bochum, Haus Kemnade

 1998………..Verwebtes – Videoinstallation, Herrenhaus Edenkoben

 1997………..Kleiner Wagen – Videoinstallation, Oldenburger Kunstverein, mit Marikke Heinz-Hoek

 1996………..Reisswolf – Videoinstallation, Arnsberger Kunstverein, mit Annebarbe Kau

 1994………..Rollbild – Videoinstallation, Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen, Düsseldorf ………….

                    Köln II- Videoinstallation, Moltkerei Werkstatt, Köln

1992………..Begegnung, KunstcentrumHengelo, mit Angelika Schirmer

 1991………..PaarIV, Videoinstallation, Selm-Cappenberg

seit 1990   zahlreiche Ausstellungsbeteiligungen im In- und Ausland (Europa, Asien) ………….

www.katjabutt.de

 

 

 

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