Rose
Ein Ort erscheint trivial, löst Pathos aus, wird prosaisch beschrieben, hymnisch besungen, sachlich erfasst oder malerisch erhöht. Lässt er also den einen kalt, so kennt der andere für ihn Worte ohne Ende. Zutreffendes fand auch Annebarbe Kau für den „Rosengarten“ im Kölner Vorgebirgspark; minimalistisch artikuliert und auf dessen namentlichen Ursprung reduziert. Dieser geht nämlich von einem großen Seerosenbecken und einer erhöhten Terrasse mit laubenartig sich erstreckenden Spalierbögen aus, in deren rosen-umrankte Rohrkonstruktionen die medial vielseitig arbeitende Künstlerin 16 verkabelte Lautsprecher verteilte – an roten Schnüren gleichsam wie techno-morphe „Rosenblüten“ hängend. Deren Positionierung in den gärtnerischen Gerüsten erscheint zufällig und erinnert kompositorisch an jene zarten Objekte von Annebarbe Kau, die, aus luftigem Maschendraht geformt, von wollenen Farbfäden wie in lockeren Strukturen und Rhythmen malend umschlungen und umrankt sind.
Allein in dem Spalier gleichmäßiger Archivolten, die sich zu einem tunnelartigen Gang addieren, sind folgende, in gemessener Monotonie gesprochenen Worte zu hören: „Rot, Rot, Rot …“ Die endlose Nennung des einfarbigen Attributs scheint ihren räumlichen Taktgeber in den gleichmäßigen Rhythmen der Bogenformation gefunden zu haben und lässt den lauschenden Passanten erahnen, wie diskret er von den unverhüllten Lautsprechern auf die roten Rosen angesprochen wird. Doch gelangen aus den membranartigen Kelchen weitere, der edlen Blume huldigende Worte an des Gartenbesuchers Ohr. Auf einer zweiten Tonspur, die derjenigen des grundlegenden „Rot, Rot, Rot…“ sprachlich überlagert ist, lassen in kompositorischer Abfolge die Stimmen eines Mannes und zweier Frauen einige verbale Farbtropfen auf die monochrome Untermalung fallen: „Rouge …!“ – „Red …!“ – und manchmal auch „Red rose …!“ lauten sie. Die Worte bewirken Bilder in unserem erinnernden Gedächtnis und bestärken, ja verwandeln das Geschaute.
Doch sind nicht nur des Passanten Augen und Ohren im Natur und Technik, Realität und Illusion metaphorisch verflechtenden Rosengang synästhetisch aktiviert. Alle seine Sinne, gerade mehr die des hörenden Sehers, dann intensiver die des sehenden Hörers, werden in diesem luftig-transparenten „Klangtunnel“ angesprochen. Der Gartenbesucher lauscht, wartet und erwartet, er kommuniziert sowohl mit seinen persönlichen als auch mit den kollektiven Imaginationen. Die sichtbare Umwelt verschmilzt, dank weniger anregender Töne, mit seiner Empfindung. Ein interaktiver Dialog zwischen Mensch und Natur ereignet sich und macht offenbar: Die Einbildung, die Schwester der Erinnerung, ist eine große gestalterische Kraft. Wir erleben, wie uns Annebarbe Kau aus prosaischen Fragmenten eine vokale Komposition* vorführt, deren tonale Verdichtungen und Intervalle einen rhythmischen roten Faden durch die lineare Monotonie ziehen und über das Phänomen der ergänzenden Assoziation eine Vielzahl an Empfindungen und poetischer innerer Bilder, an Anschauungen und Erkenntnissen bei den Besuchern des „Rosengartens“ auszulösen vermögen. Diese Klangarbeit aus wirklichen und gesprochenen „roten Rosen“ bringt in Erinnerung, dass der Mensch Fragmentarisches gerne vollenden möchte und dabei seine Phantasie ausschmückend ans Werk gehen lässt. So kann einerseits Vermisstes imaginär herbeigedacht, andererseits Reales Erkenntnis befördernd wörtlich ausgesprochen werden. Man muss nur einen Ton sagen und dann zuhören können!
Gerhard Kolberg
*Dank an Peter Behrendsen, Victoria Bell und Christoph Hoffmann
Vita
1958—————-geboren in Ratingen, lebt in Köln
Stipendien und Preise (Auswahl)
2005—————-Dr. Dormagen-Guffanti-Stipendium, Köln
2000—————-Artist in Residence Program, Akiyoshidai International Art Village, Japan
Adresse
Hospeltstraße 35 b
50825 Köln
Einzelaussellungen (Auswahl)
2006—————- HerderRaumfürKunst, Köln
2004—————- „gerade um die Kurve“, Galerie Gabriele Rivet
2003—————- „etwas neues“, Literaturhaus Köln
2001—————- „0range+“, Galerie Gabriele Rivet, Köln
2000—————- „Annebarbe Kau“, Pat Sweetow Gallery, San Francisco
————————„Sound Works“, Galerie International Art Village Akiyoshidai, Japan
1999—————-„Hallo“, Galerie Gabriele Rivet, Köln
————————Kabinett der Kunsthalle zu Kiel,
————————Bestandteil von „Lebendige Natur – Es kreucht und fleucht“
Gruppenausstellungen (Auswahl)
2004—————- „Medium Medien“, Kunstverein Kunsthalle Lingen
————————„Privatgrün“, Fuhrwerkswaage Köln (K)
2003—————- „Mit allen Wassern gewaschen“, Stadtmuseum Oldenburg
2002—————-Honerather Skulpturensymposion, Eifel
2001—————-10 Jahre Videokunstförderpreis Bremen, Gesellschaft für aktuelle
————————Kunst Bremen
2000—————-„Kunstbaden“, Kunst im öffentlichen Raum Wiesbaden(K)
1999————— „Stadt Kunst Bonn“, Bonn, als Beitrag des Kunstmuseums Bonn
———————–„Exit“, Videotapes, Chisenhale Gallery, London
Arbeiten in öffentlichen Sammlungen
Artothek, Köln;
Bonner Kunstmuseum, Bonn;
Folkwang-Museum, Essen;
Goethe-Institut, München;
Musee d’Art Contemporain de Montreal, Kanada;
Zentrum für Kunst und Medientechnologie, Karlsruhe u.a.
Kontakt: www.rivet.de/AnnebarbeKau