Cupido als badender Bildhauer #1, #2, #3, #4
Heinz Brelohs Skulpturen, insbesondere seine eigenwillig formulierten Keramiken, verkünden eine barocke Sinnlichkeit. Einige seiner lebensgroßen Plastiken sind unter formendem Einsatz seines ganzen Körpers entstanden, also mit allen sechs Enden eines männlichen Bildhauers. Kleinere plastische Arbeiten entstanden allein unter seinen modellierenden Händen, und dennoch ist ihnen die Ganzkörperempfindung immanent, nimmt unsere Imagination die Lebensgröße von Ferne wahr. Der Bildhauer als „Sechsender“ (Breloh) und des Künstlers erotisches Gefühl für den eigenen Körper ist auch Thema seiner vier jüngst entstandenen, kleinen keramischen Skulpturen für vier verwaiste Postamente im Kölner Vorgebirgspark. Die schalenartigen Plastiken stellen in vier Variationen „Cupido als badenden Bildhauer“ dar.
Mit ihren unglasierten und in Keramikrot leuchtenden Außenwänden stehen die Schalen ästhetisch in rustikaler Verbindung zu den vorgefundenen, grau verwitterten Steinsockeln. Allein das Innere der Schalen und die in ihnen sich biegenden und reckenden, schlängelnden und kugeligen Formen aus gebranntem Ton sind mit einer rötlich schimmernden „Bronze“-Glasur bedeckt. Dies ist in lasierender Weise aufgetragen, lässt also den natürlichen Keramikton durchscheinen und wird im Lichte in viele rötliche Farbnuancen und Helligkeitsgrade gebrochen. Im Kontrast zur rohen Außenwand der Schalen kommt der Vergleich mit einer feuchten Oberfläche auf, zu Wasser, in dem sich mit „ungebrochener lümmeliger Sinnlichkeit (Breloh) der „Cupido als badender Bildhauer“ genüsslich räkelt und das Badewasser partiell über den Schalenrand rinnen lässt. Zwar ist Cupido, wie es für Brelohs Gestaltungsweise bezeichnend ist, fragmentarisch abstrahiert, jedoch mittels der Assoziation und Imagination erkennbar. Mal reckt er sich überbordend, mal hockt er sinnierend, mal versinkt er wohlig in der Schale.
Das fragmentarische, unausformulierte Element dieser keramischen Plastiken wird gesteigert durch helle Lichtreflexionen in der spiegelnden Farblasur. Masse und Volumen der aus Ton gestalteten Formen scheinen sich nahezu aufzulösen. Die Leichtigkeit und Unbeschwertheit eines Lebensgefühls, wie man es etwa vom Barock und insbesondere vom Rokoko her kennt, schwingt sinnlich mit. Wie damals, als in den höfischen Parks, der in der Gartengestaltung des Vorgebirgsparks nachklingt, üppige, in Stein gehauene Früchtekörbe oder kindliche Amor- und Cupidofiguren auf Postamenten die Wege schmückten, und Erotisches sich in ihnen ebenso andeutete wie in zahlreichen gemalten und plastischen weiblichen Badenden mythologischer oder biblischer Herkunft. Wenngleich die primär amorphen Formen aus Brelohs Schalen quellen und wachsen wie pralle Früchte in barocken Früchteschalen, so ist der Eros des sechsendig badenden Bildhauers wesentlich unmittelbarer und vitaler als jener, hinter Allegorien versteckter – eigentlich „tabuisierter“, wie der Bildhauer meint. In erheblichem Maße teilt sich Heinz Brelohs Sinnlichkeit bereits im handwerklichen Formen des knetbaren Materials Ton mit, wenn er dem „Bildhauer“ – bei aller Abstraktion – sein Körpergefühl verleiht sowie die Möglichkeit bietet, persönliche Erkenntnisse aus diesem Schaffensprozess zu ziehen. Gerne sähe der Künstler das plastische Kunstwerk wie auf der Theaterbühne entfernt stehen, inszeniert im separierten Raum, aber gleichsam in Guckkastendimension. Ganz in diesem Sinne sind Brelohs vier Keramiken nicht der realen Größenordnung des weiten parklandschaftlichen Umraumes verpflichtet, sondern sie sind, kleindimensioniert, zu Gast auf den vorgegebenen historischen Sockelflächen. Diese Postamente sind, um in der Theatersprache zu bleiben, für ein kurzes Gastspiel die „Bühne“ der vier Keramikschalen und beflügeln gerade durch ihre „kleine Größe“ die Phantasie und die „Vorstellung“ des Parkbesuchers. So gesehen, bildet der Staudengarten mit seinen vasenförmigen, dunkelgrünen Eibenreihen und den alles umfriedenden Buchenhecken die reale Kulisse und das natürliche Szenenbild, in dem die Zuschauer aktiv agieren und dem Schauspiel in vier badenden Akten ihre mitspielende Aufmerksamkeit widmen.
Jochen Heufelder
Vita
1940—————geboren in Hilden
1961–––1968——Studium der Bildhauerei in Hamburg und Wien
1980–––1981——P. S. 1 in New York, USA
1982—————Cité des Arts in Paris, Frankreich
1982–––1983——Gastprofessur an der Kunstakademie Düsseldorf
1987—————Gastprofessur an der Ecole des Beaux Arts in Nimes
1989—————Preis des Deutschen Künstlerbundes
1993–––1994——Gastdozentur an der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig
1996–––1998——Gastdozentur an der Kunstakademie Münster
2001—————gestorben in Köln
Einzelausstellungen (Auswahl bis 1999)
1973—————Galerie Yellow, Lüttich
1976—————Wallraf-Richartz-Museum und Museum Ludwig, Köln
1980—————Galerie Rudolf Zwirner, Köln
1985—————P. S. 1, New York, USA
1988—————Ecole des Beaux Arts, Nimes
1992—————Galerie Heimeshoff, Jochen Krüper, Essen
———————Städtisches Museum Heilbronn
1993—————Skulpturenmuseum Glaskasten, Marl
1994—————Krefelder Kunstverein
———————Galerie Ursula Waldbröl, Düsseldorf
1995—————Galerie Gottfried Hafemann, Wiesbaden
———————Kunstmuseum Kloster Unserer Lieben Frau, Magdeburg
1997—————Galerie Appel und Fertsch, Frankfurt
1998—————Nassauischer Kunstverein, Wiesbaden
———————Galerie Gottfried Hafemann, Wiesbaden
———————Hospitalhof, Stuttgart
———————Museum Bochum
1999————-Zeche Zollverein, Essen