BILDGALERIE

"Ohne Titel"

Der Immergrüne Garten, benannt nach den dort in zwei Reihen wachsenden immergrünen Eiben, nimmt unter den vier Sondergärten des Vorgebirgsparks insofern eine Sonderstellung ein, als er ein weitgehend geschlossenes Areal darstellt. Die neobarocke Anlage dieses von einer Hecke eingefassten Gartenteils mit seinen Ruhebänken und den symmetrisch angelegten Wegen gibt eine strenge Form vor, durch die man sich als Besucher an einen verwunschenen Ort versetzt glaubt. Bei den Künstlern der Vorgebirgspark Skulptur, die diesen Parkteil als Ausstellungsort wählten, fanden immer wieder die vier gemauerten und verputzten Sockel zwischen den Eiben besondere Aufmerksamkeit. Auch für die aus Osnabrück stammende Künstlerin Petra Höcker sind diese Quader, auf denen ursprünglich Skulpturen spielender Putten aufgestellt waren, wichtige Bezugspunkte ihrer mehrteiligen Installation. Im Mittelpunkt ihres Ensembles aber steht das zentrale Rundbecken, wo sich – wie man auf alten Fotografien des Parks sehen kann – ursprünglich ein Springbrunnen befand. Heute dient das ringförmig eingefasste Becken als Beet, in dem dichte Büschel von Schilfgras wachsen. Auf langen, dünnen Stützen hat Petra Höcker über dem Schilfbecken ein großes, unregelmäßig geformtes Gebilde installiert. Halb wirkt es, als sei es aus dem Beet nach oben gewachsen, halb wie ein schwebendes Objekt, das eine Art Luftwurzeln nach unten treibt.

Durch lange, schlauchartige Fortsätze mit faserig aufgerauten Oberflächen ist diese zentrale Form mit zwei weiteren, ungefähr gleich großen, ebenfalls gerundeten, aber hohlen Gebilden verbunden, die auf zweien der oben erwähnten Sockel platziert sind. Ein drittes Objekt dieser Art liegt nahe dem Becken am Boden. Seine Verbindungsschnüre scheinen gekappt zu sein und liegen zusammengerollt im Gras. Was unmittelbar auffällt und bei manchen Besuchern sicher für Irritation sorgt, ist die Tatsache, dass die Objekte eine ungemein starke organische Anmutung aufweisen. Mit ihren unregelmäßigen, teilweise verletzten Oberflächen und der rötlichen, manchmal ins Graugelbe spielenden Farbgebung lassen sie unvermeidlich an Innereien, an Körperteile, an tierische oder menschliche Organe denken. Aus Naturmaterialien, vorwiegend Hanf, gebildet und mit einer Haut aus Leim und Farbe überzogen, gewinnen die Objekte eine befremdliche Lebendigkeit. Auch die Verbindungsschläuche erinnern an Organisches, an Tentakel, Wurzeln, besonders aber an Nabelschnüre, durch die die Zentralform mit ihren Ablegern in Verbindung steht. Von der zentralen Form über dem Schilfbeet hängt ein dunkelroter Lappen wie ein herausgerissenes blutiges Stück Fleisch herab und ruft die Vorstellung von Verwundung und Schmerz hervor.

Körperlichkeit ist das zentrale Thema von Petra Höcker, das sie lange Zeit in den Medien Malerei und Zeichnung artikulierte, seit einigen Jahren aber immer öfter durch plastische Gebilde und zum Teil raumgreifende Installationen zum Ausdruck bringt. Körperlichkeit meint hier nicht den durch Sport und gesunde Ernährung optimierten Erfolgskörper, der uns allenthalben als Ideal präsentiert wird, sondern die wesentliche, von uns meist verdrängte biologische Grundlage unserer Existenz mit all ihrer Befremdlichkeit und Rätselhaftigkeit. Unser Körper ist uns Menschen das Nächste und zugleich etwas Unverstandenes und weitgehend Unverfügbares. Es gibt eine ganze Werkserie plastischer Objekte von Petra Höcker, die sogenannten „Organe”, die freilich keine realistischen Abbildungen anatomischer Gegebenheiten sind, sondern eher metaphorischen Materialisationen seelischer Befindlichkeiten darstellen. Es sind vor allem immer wieder Gefühle des Verlassenseins und das Bedürfnis nach Schutz- und Geborgenheitsräumen, die für die Künstlerin von Bedeutung sind. Was der Schweizer Kulturwissenschaftler Johannes Binotto über die zum Teil mit drastischer Körperlichkeit operierenden Filme des kanadischen Regisseurs David Cronenberg gesagt hat, ließe sich durchaus auch auf Petra Höckers organartige Skulpturen übertragen: Das Unbewusste ist Fleisch geworden. Für die Künstlerin stellt die Installation im Vorgebirgspark so etwas wie eine Materialisierung oder Metamorphose ihrer emotionalen Reaktionen auf den Vorgebirgspark mit seiner langen, wechselhaften Geschichte dar. 1914 von dem Gartenarchitekten Fritz Encke realisiert, hat der Park zwei Weltkriege überstanden und zahlreiche bauliche, soziale und politische Veränderungen in seiner städtischen Umgebung durchgemacht. Auch wenn er vieles von seinem einstigen dekorativen Reichtum, die üppige Bepflanzung, den Skulpturenschmuck und die Wasserspiele, eingebüßt hat, bewahrt er doch noch Spuren seiner ursprünglichen Form. Für Petra Höcker ist der Park, insbesondere der Immergrüne Garten, so etwas wie ein lebendiges Wesen, ein „Zeitzeuge“, der seine Erinnerungen durch die Zeit trägt. Selbst an Tages-und Jahreszeiten, wo er verlassen daliegt, kann man Zeichen seiner Lebendigkeit entdecken. Dieser Lebendigkeit trägt die ungewöhnliche, aber konsequente Umsetzung in Bilder verletzlicher organischer Körperlichkeit Rechnung.

 

– Peter Lodermeyer –

VITA

—–Petra Höcker

1966             geboren in Osnabrück, lebt und arbeitet ebenda

2001 – 2002    freie Mitarbeiterin der Kunsthalle Osnabrück im Bereich Ausstellungskonzeption / Projektleitung

2002 – 2005    Studienseminare u.a. bei Prof. K. Neuper, Nürnberg

seit 2002         freischaffende Künstlerin

seit 2006         Mitgliedschaft european artists e.v.

2007              Gründung der Produzentengalerie, Osnabrück [bis 2014]

Ausstellungen und Symposien [Auswahl ab 2010]

2010              3.International Symposium / Gabelhofen, AT [g]; arte regionale v / Osnabrück

2010              [g];Kulturnacht 2010 / Osnabrück [e]; Izmir Art Symposium / Izmir, TUR [g]

2011              20. Arlberger Kulturtage / St. Anton, AT [g]; „fraktal“ / Kunst- und Kulturverein, Bad

2010              Essen [e]; Galerie Kloster Malgarten / Bramsche [g]; Kulturnacht 2011 /

2010              Produzentengalerie, Osnabrück [e]; European Artists Symposium / Essen [g]; old

2010              house new art / Städt. Kulturzentrum, Izmir, TUR [g]

2010              Yastik Alti / arteistanbul, Istanbul, TUR [g]

2012              Galerie 2 Fenster / Augsburg [e]; roter berg / Galerie P. Höcker, Osnabrück [g];

2010              Petra Höcker – Klaus Reincke / Werkkunstgalerie, Berlin [g]

2013              Yan Yana (side by side) / Karma Sergi, Ankara, TUR [g]; Hanse Art Lübeck /

2010              Werkkunstgalerie Berlin [g]; Köpfe / Werkkunstgalerie, Berlin [g]; Macht Kunst /

2010              Deutsche Bank  Kunsthalle, Berlin [g] Cologne Paper Art / Werkkunstgalerie, Köln

2010              [g]; art 20 / Renko, FIN [g] Arlberger Kulturtage / St. Anton, AT [g]; 20. European

2010              Artists Symposium / Essen [g]

2014              Cologne Paper Art / Graeser Contemporary, Köln [g]; Toleranz und Passung / Divi

2010              Blasii, Mühlhausen Untermarkt [g]; Reazioni Sonore / Galerie Schloss Dryburg, Bad

2010              Langsalza [g]; Graeser Contemporary / Köln [e]; Arlberger Kulturtage / St. Anton, At

2010              [g]; Die Farbe Weiss / Produzentengalerie, Osnabrück [g]; Die Entfremdung der

2010              Körper / GVV Kommunalversicherung,

2015              Neue Arbeiten, GraeserSchmidt Contemporary art, Köln [e]; Figur, Fläche, Raum /

2010              GraeserSchmidt Contemporary Art, Köln [g] ART.FAIR Cologne / GraeserSchmidt

2010              Contemporary Art, Köln [g]

2016              Zwei Meter unter Null / Kunsthalle Wilhelmshaven [g]; Transparent /

2010              GraeserSchmidt Contemporary Art, Köln [e] Das Große Ganze / ART AFFECT

2010              Kunsthalle, Berschweiler [g]; Restatement / Galerie Schmidt und Schütte, Köln [g]

2010              Kunstpunkte/ Walzwerkstrasse, Düsseldorf [g]; artprize / Grand Rapids / USA [g]

2010              Portfolio Vol. 2 / Galerie Schmidt und Schütte, Köln [g]

2017              Projektraum-Bahnhof25 , Kleve [g]; Restatement, Kunstverein Brackenheim, [g]

2010              Shortcut to Kettwig, Essen [g]; Transparent, GeorgScholzHaus Kunstforum Waldkirch, [e]

Publikationen

2006              Überblick-Katalog „05/06“ 2007 Überblick-Katalog „06/07“

2009              Überblick-Katalog „06/09“ 2009 Ausstellungskatalog „petra höcker / 09“

2011              Überblick-Katalog „05/11“ 2015 Petra Höcker im Gespräch mit Peter Lodermeyer

2015              Die Entfremdung der Körper, Katalog zur Einzelausstellung

2016              Petra Höcker / TRANSPARENT / Folder zur Einzelausstellung in Köln Petra Höcker /TRANSPARENT / Folder für artprize Grand Rapids, USA

Galerievertretungen

Galerie Artbox, St. Anton, Austria

Galerie Start Galerie Georg Brandner, Leoben, Austria

Galerie van Remmen, Solingen, Germany

Galerie Schmidt und Schütte, Köln, Germany