Zehn Jahre Flüchtigkeit: Vorgebirgsparkskulptur
Ein Besuch der Aktion »Vorgebirgsparkskulptur« ist kostbar. Und er ist unaufschiebbar: An nur einem einzigen Tag, einem Sonntag im Spätsommer, wird die Grünanlage in Köln-Zollstock durch künstlerische Interventionen bereichert. So vergänglich die Arbeiten, so beständig das Projekt: Am 23. August 2009 findet es zum zehnten Mal statt. Und die Mitglieder der »Interessengemeinschaft Kunst im Park« sind im Kern die gleichen geblieben.
Für die ehrenamtlichen Kuratoren – Grafik-Designer, Architekten, Kunsthistoriker und Mitarbeiter des Grünflächen- und Stadtplanungsamtes – beginnt die Planung der Eintagsausstellung im öffentlichen (Grün-)Raum mit einem Jahr Vorlauf: Sie laden vier Künstler ein – im Jubiläumsjahrfünf-, beratschlagen deren Ideen, Modelle und Skizzen sowie die mögliche Umsetzung. »Wir helfen den Künstlern tatkräftig und finanziell, indem wir schauen, wie wir ihnen unter die Arme greifen können«, erläutert Hermann Gellissen vom Stadtplanungsamt. Das keine Budget kommt von privaten Sponsoren, der AWB und dem Kulturamt.
So entstehen unverkäufliche und temporäre Kunstwerke, Flüchtiges, doch fast immer »Großes«: Christian Sery akzentuierte 2003 den Staudengarten durch farbige »Kaiser-Plastiken«, 2004 inszenierte Bettina Gruber eine nostalgische Schäferszene als Real-Life-Act. 2006 deutete Tom Kösel auf die Endlichkeit, indem er das Wort »Zeit« in riesigen Buchstaben aus Eis auf die Erdelegte. Im letzten Jahr hauchte Robert Gschwantner dem kaum bepflanzten Teich neues Leben ein, indem er Glasbausteine in ihm versenkte. Für die Jubiläumsausgabe hat der Kölner Künstler Tobias Gerber angekündigt, »die kostbaren Flächen und Gegebenheiten vor den Eiferern und Schlendrianen durch vier schwarze Wachen zu bewahren«.
Durch die »Vorgebirgsparkskulptur« ist die Wertschätzung der historischen Parkanlage insgesamt gestiegen. Weil der erste »Volkspark« Kölns mit drei Ruhegärten und einer Spielwiese von der Stadt nur notdürftig erhalten wird, ist er auf bürgerschaftliches Engagement angewiesen. So kam etwa ein Handwerksunternehmen auf die Idee, seine Auszubildenden zur Pflege zu animieren.
Corduta Walter
Vorgebirgsparkskulptur
23.8., 11-18 Uhr, Vorgebirgspark in Köln-Zollstock, Eingang Kreuznacher Straße. Jubiläumsausgabe mit Arbeiten von Tobias Gerber, Michael Jäger, Karin Lingnau, 0onit Nebe, Stefanie Oelke, www.vorgebirgsparkskulptur.de
Bildtext
Parkautobahn – Streckenabschnitt Vorgebirgspark – von Ralf Witthaus, 2006
Kölner Stadtanzeiger (2009 – 08 – 19)
Giftgrüne Seerosen und Nymphen
Am Sonntag findet zum zehnten Mal die Ausstellung „Kunst im Park“ statt. Fünf Künstler zeigen bei der Skulpturen-Schau im Vorgebirgspark, Kölns ältestem Volkspark, ihre Werke in ungewohnter Umgebung.
RADERBERG Als zehn Kölner Kunstliebhaber vor zehn Jahren die Interessengemeinschaft „Kunst im Park“ ins Leben riefen, stand bereits fest, dass die viel gerühmte Kunststadt Köln nicht genug Ausstellungsmöglichkeiten für Künstler bietet. Vor allem im öffentlichen Raum nicht. So gingen sie auf die Suche nach einem geeigneten Ort für die Präsentation von Kunst in aller Öffentlichkeit. „Wir wollten die Kunst aus den isolierten Sälen in den alltäglichen Lebensraum bringen“, sagen die Organisatoren rückblickend. Ihr Anliegen ist bislang aufgegangen. Mit Hilfe des städtischen Grünflächenamtes entdeckten sie den Vorgebirgspark als ideales Territorium für die Kunst.
Das Konzept besteht darin, für jeweils einen Tag die Grünanlage mit Skulpturen, malerischen und akustischen Environments vorübergehend zu verwandeln. „Für Künstler bietet das die Möglichkeit, ihre Arbeit in einer völlig ungewohnten Umgebung zu erproben. Und für die gewöhnlichen Besucher des Parks heißt das, mit Kunstformen konfrontiert zu werden, mit denen sie sonst nie in Berührung kommen würden“, erklärt Christian Merscheid für den Organisatorenkreis. Er leitet die Moltkerei-Werkstatt, eine der ältesten freien Kunstinitiativen Kölns. Auch dort fördert er seit langem vor allem solche Projekte, in denen Künstler ihre Kreativität in Auseinandersetzung mit einer konkreten Raumumgebung entwickeln.
Der Vorgebirgspark ist als Ort für Kunst deswegen so interessant, weil er Kölns ältester Volkspark ist. In den Jahren von 1911 bis 1913 nach Entwürfen des Gartenbauarchitekten Fritz Encke errichtet, sollte er den Bewohnern der umliegenden, eng bebauten Viertel als Erholungszone dienen. Neben gezielt gestalteten Bereichen mit Wasserbecken, Rosen- und Eibenanpflanzungen gibt es auch einen großen Wiesen- und Waldbereich für gänzlich freie Aktivitäten. Bis dahin geplante Parks waren vor allem zur Beschaulichkeit und Belehrung gedacht gewesen. Der von Encke sorgfältig angelegte Vorgebirgspark führte allerdings lange ein Schattendasein. Zum einen, weil einige seinerzeit geplante große Bauvorhaben nicht realisiert wurden. Zum anderen, weil Wachstum und Benutzung wie in vielen Kölner Park- und Fortanlagen stark sich selbst überlassen waren.
„Erst durch die Kunst bekam der Park überraschend neue Impulse“, stellen Bewohner der umliegenden Straßen fest. Die Ein-Tages-Ausstellungen sorgen nicht nur für eine gelungene Abwechslung. Sie bewirkten auch, dass das Grünflächenamt sich seit dem Einzug der Kunst engagierter um die Anlage kümmert. Derart inspiriert, helfen die Bewohner an der Kreuznacher Straße der Kunstinitiative bei Bedarf sogar mit Wasserversorgung und Lager-Garagen aus. Und die IG Kunst-Organisatoren freuen sich, dass ein nahezu freundschaftliches Verhältnis zur Bevölkerung entstanden ist. Das ist keineswegs üblich bei Kunstprojekten. Denn schließlich produzieren Künstler Werke, die dem „Normalbürger“ oft seltsam und verstörend anmuten. So schuf Claudia Schmacke im Jahr 2007 auf einem Gehweg eine neue Grünfläche aus mit Flüssigkeit gefüllten Plastiktüten.
Mit anderer „Kunstdüngung“ verwandelte Kisten Kaiser 1999 den Weg in eine blaue Renn-Laufbahn. Bildhauer Claus Bury führte im Jahr 2000 einen gewaltigen, aus Holz gezimmerten „Gehörgang“ vor Augen. Christel Fetzer ummantelte im gleichen Jahr die verwaisten grauen Betonsockel im Eibengarten mit leuchtend roten und blauen Gummibändern. Die Brüder Löbbert ersetzten 2001 am gleichen Ort die verschwundenen Skulpturen durch riesige Luftballons, und Heinz Breloh ersetze sie 1999 durch geheimnisvolle skulpturale Schalen. Besonders attraktiv gestalteten sich stets die Kunstinterventionen am Wasserbecken. Tina Haase flankierte das Becken 2001 mit silbrig verhüllten Motorrädern, Annette Sauermann ließ 2007 leuchtende Kunststoffseerosen auf dem Wasser gleiten, Klaus Dauwen schuf 2003 mit der Schablone Nymphen am Beckenrand. Insgesamt zeigten in den vergangenen Jahren 44 Künstler ihre Werke im Park.
In diesem Jahr kommen mit Tobias Gerber, Michael Jäger, Karin Lingnau, Dorrit Nebe und Stefanie Oelke fünf weitere hinzu. Sie falten unter anderem den Raum auf, lassen menschliche Skulpturen auftreten und ein künstlerisches Luftschiff in einem Baum stranden.
Die Ausstellung, die vom 11 bis 18 Uhr stattfindet, wird am kommenden Sonntag um 11 Uhr am Parkeingang Kreuznacher Straße mit einer Einführungsrede eröffnet.
von Jürgen Kisters