BILDERGALERIE

Der Riese ist tot

Die fluchtenden Reihen himmelwärts züngelnder Eibenbäume und einige ruinöse Steinpostamente, altersgrau verwittert, weckten nicht erst bei Bernd Ikemann phantasievolle Assoziationen an arkadische Haine. Schon mancher verglich wie er den einhundertjährigen „Staudengarten“ des Kölner Vorgebirgsparks mit den melancholischen Landschaften Arnold Böcklins, dem Maler der metaphysischen „Toteninsel“. Kurzerhand erklärte Ikemann für einen Septembersonntag den gesamten Garten zum Märchenbild, zur gewachsenen Bühne seines romantischen Einakters „Der Riese ist tot“. Aber welcher Riese? Der Kölner Künstler sieht im archaischen Wunsch nach Ableben eines bedrohlichen Giganten das ewige Bestreben der Menschheit verborgen, den allgegenwärtig drohenden Tod zu besiegen, für den der Rieseals Metapher stehe.
Bevor man aber mit der Interpretation seines Zuversicht verheißenden Begräbnisses beginnt, ohne es gesehen zu haben, sollte man erst einmal – vom schattigen „Baumhof“ her kommend – durch die hohe Heckentür in den lichten „Staudengarten“ eintreten und seine per magischer Künstlerhand verwandelte Szenerie mit offenen Augen begehen und sinnlich auf sich wirken lassen. Denn erst Betrachtung führt zur Anschauung.
Ungeduldig eilt der Blick unserem Gang durch die hierarchisch gestaltete Gartenarchitektur voran, gleitet entlang den Reihen dunkler Eibenbäume und über geometrische gliedernde Rasenformen hinweg in die Tiefe des Raumes. Dort trifft er auf einen enorm großen schwarzen Kasten und hält inne. – Ein Sarg? Hier? – Dimensional unwirklich gigantisch geraten, lässt er die Neugier schnell die Scheu besiegen. Da liegt doch sowieso niemand drin! – besagt die unsicher belächelte Frage.

Auf dem Weg zum bombastischen Sarg, den eine mehrstufige Terrasse weithin sichtbar erhöht, lesen wir Gartenbesucher an den beidseitig bei den Eibenreihen stehenden skulpturenlosen Steinbasen lateinische Schriften, die beziehungsreich „NUNC“ (Jetzt) lauten, oder auch „OLIM“, was „ehemals“ heißen kann, aber auch, wie Märchen beginnen:

„Es war einmal …“. Fast am tiefschwarzen Sarkophag angelangt, der auf einem apsidenförmig erhöhten Gartenteil steht, wird manchem Komparsen beim Durchwandern des eingebildeten „Märchenbildes“ bewusst, dass die säulenähnlich gereihten Eiben, die lateinischen Sockelschriften und die, einem Hochaltar gleichende „Apsis“ insgesamt den Eindruck einer fragmentarischen und naturverbundenen Basilika erwecken.
„Nunc“ stehen wir also klein und ratlos vor dem Riesensarg, der in der lichten Höhe kopfhoch, 1,50 Meter breit ist und eine Länge von fast 5 Meter misst. Orna¬mentale „Beschläge“ aus Schrauben glänzen golden im Licht. Sogleich fragen wir uns, welche Bewandtnis es mit dem hier gänzlich unerwartet stehenden Totenschrein wohl auf sich habe? Demjenigen Gartenbesucher, der an der Kunst auch ihre Machart schätzt, sei derweilen Faktisches verraten: Ikemann zimmerte das funebre Objekt aus schlichtem Kiefernholz, einem kostengünstigen Material der Bestattungsbranche, und fügte es aus einem transportablen Bausatz von 12 Teilen plus mattschwarz gestrichenem Leinenstoff im kurzzeitig verwunschenen „Staudengarten“ für den Tag des funeralen Defilees zusammen. Mit dieser surrealen Besetzung des Ortes allein war das Märchenbild „Der Riese ist tot“ eigentlich schon fertig und wir Heutigen bewegen uns darin und beruhigen uns angesichts des monströsen und die Natura morta symbolisierenden Sarges, weil Riesen in Wirklichkeit überhaupt nicht existieren, ergo auch keine toten! Alles Märchen und Legenden! – Mag sein, aber den Tod gibt es wirklich! Auch, wenn Bernd Ikemann am Abend sein Märchenbuch schließt und der „Staudengarten“ sich wieder in argloser Form zeigt. Dann wird es aber gar nicht lange dauern, bis ein Spaziergänger oder gar ein Künstler ihn erneut in das verwandelt, als das er ihn in seiner Phantasie erkennen möchte. Denn, so hofft Ikemann, Märchen dürfen nicht sterben!
Gerhard Kolberg

VITA

Vita

1956————–geboren in Herne

1956————–lebt und arbeitet in Köln

1979 – 1987—–Studium an den Kunstakademien Münster und Düsseldorf, Meisterschüler

1987————–Förderpreis Malerei junge Herner Künstler

1987—————Förderpreis der Stadt Herne für Film, Video, Foto

1994—————Stipendium für Bildende Kunst, Künstlerdorf Schöppingen

1998 – 2001—   –Gastdozentur für Malerei an der Kunstakademie Münster

2004 – 2005—–Lehrauftrag für Gestaltung an der Hochschule Niederrhein

Ausstellungen (Auswahl)

1989—————- „Bee, Ikemann, Brenner“, Flottmannhallen Herne (K)

1993—————- „Vom Totenbaum zum Designersarg“, Museum für Sepulkralkultur. Kassel

1993—————-Landesmuseum Mainz (E)

1993—————-Galerie Stefan Rasche, Münster, mit A. Zielinski

———————-„Brücken und Läufer“, Förderverein Aktuelle Kunst, Münster (E)

———————-„Stadt Land Fluss“, Künstlerdorf Schöppingen (K) 1996/97

———————-„Unterwegs“, Kunsthalle Recklinghausen (K)

1997———-..—–„Projekt Totentanz“, Museum Bochum (P/ K)

1997—————-„Bernd Ikemann: … im Fenster“, Diözesanmuseum Köln (E/ K)

———————Jahresgaben Kölnischer Kunstverein (K)

1998/99———-„Fünf aus Herne“, Flottmann-Hallen Herne (P / K)

1999—————-Mannheimer Kunstverein, mit A. Hoinka

2001—————-„Farbstock“, artothek, Köln (E)

———————-„rein Gold“, in situ, Ausstellungsraum Stadt. Bühnen, Münster (E)

———————„Kanten und Ecken“, Galerie Peter Tedden, Düsseldorf, mit Anja Hoinka

——————–„TOR“, Galerie Peter Tedden, Oberhausen (K)

2002—————„Projekt Leuchtturm“, Künstlerzentrum Eupener Straße, Köln

——————–„KÖLNQUARTETT 03″, Kunstraum Fuhrwerkswaage, Köln (K)

2002—————„Weiß für Pulheim“, Rathaus Pulheim (E)

———————„Ende offen“, Sidol-Gelände, Köln

Adresse

Eupener Straße 57 – 59          Girlitzweg 26

50933 Köln                              50829 Köln