BILDGALERIE

"Mein innerer Grüngürtel"

Seine „Spielwiese“ nennt Bert Didilion im Gespräch den Staudengarten, den südlichsten der vier Sondergärten des Vorgebirgsparks, wo er eine ganze Reihe von Plastiken zu einer großen Installation zusammengestellt hat. Tatsächlich entfaltet das Ensemble der höchst unterschiedlichen Elemente, die er locker auf der von Bäumen umstandenen Wiese verteilt hat, eine spielerische Leichtigkeit im Zusammenwirken von Formen und Farben. Dabei treten die Arbeiten untereinander und mit dem Formenbestand, den der Park vorgibt, in vielfältige Beziehungen. Da Didilion seine Arbeiten ganzflächig im Staudengarten anordnet und so die gesamte, gut 70 Meter lange Fläche aktiviert, setzt er die Betrachter in Bewegung. Wenn man das Areal auf den Gehwegen umrundet oder in unterschiedlichen Richtungen durchquert, ergeben sich stets neue, oft überraschende Sichtachsen auf immer andere Konstellationen der plastischen Elemente. Übrigens wurde der Staudengarten auf Wunsch des Künstlers in diesem Jahr ausnahmsweise nicht bepflanzt, weil die Präsenz von Blühpflanzen im zentralen Staudenbeet zu viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen hätte.

Sechs in Farbe, Form und Material sehr unterschiedliche Einzelformen und plastische Gruppen hat Didilion positioniert. Besonders aufmerksame Parkbesucher werden noch eine siebte, die mit Abstand kleinste Arbeit entdecken: eine an einen Zweig geheftete Wäscheklammer aus orangefarbenem Plastik. Dieses zweckentfremdete Alltagsobjekt, das wie eine künstliche Blüte aus dem Blattgrün herausleuchtet, verkörpert in nuce Didillons bildhauerische Grundidee. Diese geht von der skeptischen Frage aus, ob und wie es angesichts der explosionsartigen Erweiterung des Skulpturenbegriffs, wie sie insbesondere seit den 1960er-Jahren erfolgt ist, mit der alten Kunstgattung „Bildhauerei“ noch weitergehen kann. Die Bildhauer haben in den letzten sechzig Jahren die apartesten und ungewöhnlichsten Materialien für sich entdeckt, die ausgefallensten und aufwändigsten Bearbeitungsprozesse ausprobiert, die spektakulärsten Ausstellungsorte erobert. Für Bert Didilion besteht eine Möglichkeit, die Skulptur weiterzuführen, darin, aus diesem Überbietungswettbewerb auszusteigen, gleichsam einen Schritt zurückzutreten und sich auf das Nächstliegende zu besinnen: das meist übersehene künstlerische Potential der Alltagsdinge, mit denen wir uns umgeben. Selbst eine simple Wäscheklammer aus Plastik wird zu einer interessanten Form, wenn man sie aus Ihrer üblichen Verwendung befreit und in ungewöhnliche Zusammenhänge versetzt. Die Objekte, die Didilion als Ausgangsmaterial verwendet, sind in aller Regel industriell fabriziert, sie tragen – gleichsam als Nebenprodukt -einen ästhetischen Überschuss in sich, den der Künstler mittels unterschiedlichster Eingriffe für sich nutzt. Ein schönes Beispiel

dafür ist die Gruppe der vier Gartenstühle aus Kunststoff, die er im Staudengarten zu einem komplizierten Formengebilde angehäuft hat.
Sobald sie ihrer Funktion als Sitzmöbel entfremdet sind, bemerkt man ihre eigentümliche, reichlich bizarre Formgebung, die in starkem Kontrast zu den Naturformen der umgebenden Bäume steht. Mit ihrem überdrehten Rosa erzeugen sie zusammen mit den Grün-und Brauntönen des Parks eine heftige Farbdissonanz.

Farbe ist ein wichtiger Faktor in Didillons künstlerischem Konzept. Durch farbigen Anstrich verwandeln sich Alltagsgegenstände und Fundobjekte drastisch, die Materialwirkung tritt zurück und die Form wird akzentuiert. Das gilt etwa für das leuchtendgelb bemalte Kartongebilde, das im Staudengarten wie eine Pseudo-Architektur rechtwinklig aufgestellt ist, sowie für das große, dunkelblaue Objekt, das unter einen ausladenden Ast eines Baumes geklemmt ist und so im Gleichgewicht gehalten wird. Diese Form erweist sich bei genauerem Hinschauen als ein ausrangiertes, funktionslos gewordenes Türblatt. Dezenter ist die Farbigkeit des stelenartigen Gebildes, das am Rand des zentralen Staudenbeets aufgestellt ist, gleichsam als Ersatz für die fehlenden Blumen: Aus der Nähe entpuppt sich das Türmchen als eine Montage aus unterschiedlich breiten Klebstreifenrollen unterschiedlicher Farbigkeit. Den stärksten Farb-/Formkontrast bilden die beiden jeweils an den Schmalseiten des Staudengartens platzierten plastischen Gruppen. Da sind zum einen sieben weiße, spiralig gewundene lineare Formen – von Hand gebogene kunststoffverkleidete Heizungsrohre -, von denen eine an einem Baumstamm hinaufzukriechen scheint, während eine andere wie eine Schlange im Baum hängt. Diese „Zeichnungen“ im Raum korrespondieren visuell sehr schön mit den weiß gestrichenen Rankgerüsten im benachbarten Rosengarten – als ob sich ein Teil der Stellage verselbständigt und davongemacht hätte. Auf der Gegenseite des Staudengartens liegen zwei ausladende Haufen aus schwarzer Plastikfolie. Wer bei dem ersten Assoziationsimpuls „Müllsäcke“ nicht stehenbleibt, sondern sich auf die überraschende Schönheit der Berge und Täler dieser Kunststofflandschaften einlässt, hat schon etwas Entscheidendes von Didillons Skulpturbegriff erfasst.

– Peter Lodermeyer –

VITA

Bert Didillon

1965              geboren in Wuppertal, lebt und arbeitet in Köln
1992-1998   Studium Malerei und Bildhauerei
Kunstakademie Düsseldorf bei Fritz Schwegler und Alfonso Hüppi
1998              Meisterschüler bei Alfonso Hüppi

Einzelausstellungen (Auswahl)

2018              Acatenango, Bruch & Dallas, Köln
2017              Whatever, Grolle Pass Projects, Wuppertal
2016              Ideal X (mit Sabine Bokelberg), Ausstellungsraum Q18, Köln
2015              Egal wann haupsache jetz, Pinacoteca 22, Wien
2014              Alles Mögliche, Künstlerverein Malkasten, Düsseldorf
2013              MYHIGHWAY, Grolle Pass Projects, Wuppertal
2012              Raum für vollendete Tatsachen (mit Joachim Weischer), Düsseldorf
In der Augenhöhle des Löwen (mit Carl Hager), Grolle Pass Projects, Wuppertal

Gruppenausstellungen (Auswahl)

2019              Vorgebirgsparkskulptur, Vorgebirgspark, Köln Freie Zimmer,                           Hugenottenhaus, Kassel Check Mate, BcmA, Berlin
HERE/there, Wexford Art Centre, Irland
2018              Fertig, estudiopablodelillo, Oviedo, Spanien Pareidolie, Salon du dessin contemporain, Marseille Skulpturenprojekt Hardt, Botanischer Garten, Wuppertal
2017              Country Katalog, Museum Abtei Liesborn, Warendorf
2016              Setzen, stellen, legen, Künstlerhaus Bethanien, Berlin weissebescheid, Kunstverein Oberhausen
FAR OFF Art Fair, Jack in the Box, Köln Heimatplan, Grolle Pass Projects, Wuppertal Neue Enden II, Gerson Höger Galerie, Hamburg Temporary Artist’s Bookshop, Lage Egal, Berlin
2015              Neue Enden, Kunstverein Kassel, Museum Fridericianum Summerville in Wilmersdorf, Berlin
Connecting Pieces, C4 project, Copenhagen
2014              Internationale Bergische Kunstausstellung, Kunstmuseum Solingen WinWin, Jack in the Box, Köln
4NOW, Galerie oqbo, Berlin
Drei Stile eine Blüte, Osramhöfe, Berlin
2013              Rot, Grolle Pass Projects, Wuppertal
2011              Loveland Pass, Grolle Pass Projects, Wuppertal
Revolutionary Sympathies, Künstlerverein Malkasten Düsseldorf 2010 Evil Eye, FKT, Bochum
Wildwechsel, Grolle Pass Projects, Wuppertal Here and Now, Julia Stoschek Collection, Düsseldorf