BILDERGALERIE

Globules

Wie eine Invasion von Fremdkörpern muten die im Immergrünen Garten verteilten plastischen Formen an. Frisch und intensiv ist das Rot dieser Gebilde, hebt sich Leuchtend ab vom Rasengrün, dem tieferen Grün der Sträucher. Die Zahl dieser völlig identischen Körper mit achtzig Zentimetern Durchmesser ist auf einen Blick nicht abzuschätzen. Alles an ihnen ist perfekt gerundet, organisch und zugleich wirken sie mit ihren hochglänzenden Oberflächen technoid. Mit diesen Hüllen nehmen sie einerseits die Umgebung als verzerrte Spieglungen in sich auf und verschließen sich andererseits durch die perfekte, hermetische Oberfläche gegen jedwedes Außen.
Birgitta Weimers Globules sind die Invasoren des Immergrünen Gartens. Globules ist die Bezeichnung für Blutkörperchen im Französischen. Rote Blutkörperchen – wie sie im Blut aller Wirbeltiere zu finden sind – dienten als keineswegs pedantisch vergrößerte Vorlage für die skulpturalen Globules. Die muldenartige Eintiefung auf der Oberseite entspricht dem 200.000mal kleineren Vorbild, anders als in der Natur wiederholt sie sich jedoch nicht auf der (unsichtbaren) Unterseite der Kunststoffkörper. Nicht als naturwissenschaftliche Schau- oder Demonstrationsstücke sind diese Objekte konzipiert, auch wenn Birgitta Weimers Ausgangspunkt bei dieser wie auch bei anderen, oft mehrteiligen Arbeiten biologische (Mikro)- Formen und Ordnungssysteme waren. Weimers Globules sind eigenständige skulpturale Objekte zum installativen Gebrauch im Außenraum; die Vorstellung eines unberührbaren, vollständig autonomen Werks ist zugunsten einer vielfältig wahrnehmbaren Objekthaftigkeit aufgegeben worden. Die Globules waren an verschiedenen Präsentationsorten – einem privaten historischen Palmenpark in Südfrankreich, dem öffentlichen, dem Museum Rolandseck vorgelagerten Gelände, sie zirkulieren, sind in Bewegung wie ihre Vorbilder – auch nutzbare Skulpturen. Sie wurden vom Publikum in Gebrauch genommen, dienten als Sitzgelegenheiten, auch wenn dies zunächst nicht Intention der Künstlerin war, dann aber von ihr als eine mögliche Form der Rezeption akzeptiert wurde.

Diese doppelte Codierung als Kunstwerk undGebrauchsgegenstand, die uneindeutige Positionierung zwischen autonomer Form und Möbel ist seit den 1980er Jahren ein produktives thematisches Feld skulpturalen Arbeitens. Dem entsprichtauch die serielle Herstellung der Globules, die von vornherein nicht als auratische, im Atelier gefertigte Unikate geplant waren, sondern (wie ihre biologischen Vorbilder) in größeren Mengen vorhanden sein sollen und folgerichtig als identischer Produkte aus schwerem, lackiertem Kunstharz von einem spezialisierten Betrieb angefertigt werden.
Wie auf einem Spielfeld hat Birgitta Weimer die Globules auf den vier von Wegen und Mauern begrenzten, um ein zentrales, bepflanztes Rondell gruppierten Rasenstücken arrangiert; ein einzelner Körper kann auf einer angrenzenden Fläche platziert sein, ebenso ist eine Neujustierung der Elemente im Laufe des Tages nicht ausgeschlossen. Ihre Verteilung folgt dabei keinem System, allenfalls werden Symmetrien, klare Muster, hierarchische Gruppierungen vermieden. Als runde Formen stehen sie in einer unmittelbar augenfälligen Beziehung zum kreisförmigen Beet in der Mitte des Gartens. Nicht nur die sorgfältig ausbalancierte Nähe und Ferne der in diesen Garten hineingetragenen Globules spielen eine wichtige Rolle, sondern auch ihr Verhältnis zum markanten Mittelteil, auf das sie sich wie auf ein Zentralgestirn beziehen. So tragen sie in diesen streng gegliederten Gartenraum einerseits eine Ordnung eignen Rechts und machen andererseits die physische Dimension dieses Raums erfahrbar, indem sie für den Betrachter als Mess- und Bezugspunkte fungieren. Darüber hinaus eröffnen sie eine neue Perspektive. Wer in ihnen Platz nimmt, wird nicht nur ein den Gleichgewichtssinn spielerisch forderndes Sitzerlebnis haben, sondern auch aus ungewohntem Blickwinkel und mit Rundumoption – die Globules haben keine Schauseite, laden also zu panoramischem Sehen ein – in diesen sonst weniger zu lagerndem Verweilen einladenden Parkteil zu schauen; diese Blickauffrischung gehört zu den erwünschten Nebenwirkungen der eintägigen Globules-Infusion.

Jens Peter Koerver

VITA

1956…….  …..geboren in Gemünden am Main

1983-1988Studium freie Kunst an der Hochschule für bildende Künste Hamburg bei Kai Sudeck, Sigmar Polke und Ulrich Rückriem

1987/88…….Postgraduierten-Jahresstipendium des DAAD für bildende Kunst in Gambia Westafrika)

1992………..Friedrich-Vordemberge-Stipendium, Kunstpreis der Stadt Köln

2003/2004Vertretungsprofessur Fachhochschule Darmstadt, Fachbereich Gestaltung

2009………..Gastprofessur Kyoto University of Art and Design

2009………..lebt in Königswinter

Einzelausstellungen (Auswahl seit 2000)

2000………..Pseudo Organism, Fassbender Gallery, Chicago*

2001………..The Third Nature, Kay Kimpton Contemporary Art, San Francisco

………… ……Die dritte Natur, Galerie Dorothea van der Koelen, Mainz*

2002——–.Birgitta Weimer, Flint Institute of Arts, Flint, Michigan, USA

2004………..Morphogenesis, Galerie Edith Wahlandt, Stuttgart

2005………..Szenenwechsel, Museum für konkrete Kunst Ingolstadt

2006………..Birgitta Weimer, Galeri Konstruktiv Tendens, Stockholm

————–Morphogenesis-Metagenesiy, Galerie Dorothea van der Koelen, Mainz*

………………Natural Structures, Galerie Dorothea van der Koelen Venedig*

2007………..Arbeiten auf Papier und Skulpturen, Georg-Meistermann-Museum Wittlich

………………Natural Structures, artmark galerie Wien*

………….    Even if Love, Kunstverein Ludwigshafen in Zusammenarbeit mit dem Wilhelm-Hack-Museum Ludwigshafen (mitYuko Shiraishi)

2009………Reconstructing Nature, Galeri Konstruktiv Tendens, Stockholm

………    ….Reconstructing Nature, Museum und Galerie Im Prediger, Schwäbisch Gmünd*

2011……….Visual Analogies and Inquiries (mit Michiko Itatani), Milwaukee Institute of Art and Design, USA

2012………..Survivors, Rheinisches Landesmuseum Bonn*

Ausstellungsbeteiligungen (Auswahl seit 2000)

2000………..Unter der Haut. Transformationen des Biologischen in der zeitgenössischen Kunst, Stiftung Wilhelm-Lehmbruck-Museum Duisburg **

2001………..Contemporary Positions in German Drawing, Milwaukee Institute of Art and Design,Wisconsin, USA**

2002………..Geometrisk Abstraktion XXIV, Galerie Konstruktiv Tendens, Stockholm, Schweden

2006………..Bildertausch, Neupräsentation der Sammlung Marli Hoppe-Ritter, Museum Ritter Waldenbuch**

2008………..New Walls from Berlin, Sundaram Tagore Gallery New York

…………….. I dream of Genomes, Islip Art Museum, Islip, New Yok**

………………Blickpunkt: Skulptur II, Abstrakte Tendenzen, Kunsthalle Mannheim

2011………..Biomorph! Hans Arp und zeitgenössische künstlerische Positionen, arp museum Bahnhof Rolandseck Remagen**

2012………..Illusion Natur, Galerie Judith Andreae, Bonn**

www.birgitta-weimer.com

.* Publikation über das Werk von Birgitta Weimer ausschließlich

** Publikation, in der das Werk von Birgitta Weimer integriert wurde