BILDERGALERIE

Die Rosenlaube

Orte verändern ihr Gesicht. Nur wenige Spuren regen unsere Gedanken und Imagination an, sich vorzustellen, wie ihre Physiognomie wohl vor mehreren Jahren ausgesehen haben mag. Solche Plätze der Erinnerung können auch öffentliche Parks und Gärten sein, deren Wildwuchs oder zeitlichen Verfall der eine bedauern, der andere aber auch „verwunschen“ nennen mag. Zum Beispiel erweckt der romantische „Rosengarten“ im Kölner Vorgebirgspark erst bei kritischer Befragung sinnlos erscheinender Metallbögen die Vorstellung von blühenden Rosen, wie sie einst die nunmehr kahle Konstruktionen umrankt haben müssen; und so stellt sich – im Rückblick auf rosigere Zeiten – ein wehmutsvolles Gefühl des ästhetischen Mangels ein.
Wie schön, so dachte sich auch Ellen Keusen, haben wohl einst jene, von einer dichten Hecke hinterfangenen vier Chambres separees ausgesehen, als sich über ihre Parkbänke und Besucher noch prächtige Rosenpergolen wölbten. Für einen Sommersonntag des Jahres 2006 lässt die Kölner Künstlerin eine dieser intimeren Heckenkojen zum Ort eines temporären ‚Rosenwunder‘ werden – natürlich artifiziell!
Über die paarweise und mehr als mannshoch sich rundenden Metallbögen – im oberen Bereich durch Querverstrebungen stabilisiert- spannt Ellen Keusen eine transparente Trägerfolie, in die sie 5.000 im Hamburger Großhandel erworbene, unnatürlich gerad- und langstielig gefertigte Schießbudenrosen sticht. Rosendornen stechen! Mitfühlend assoziiert mancher Betrachter angesichts dieser perforierenden Gestaltungsweise ein die Haut verletzendes ‚Ikebana‘, anderen mag dazu Goethes knabenhaften Rosenbrechers ‚Weh und Ach‘ in den Sinn kommen. Nur ein schmaler, recht niedriger Zugang zur lockenden Gartenbank bleibt in dieser, überbordend mit Plastikrosen verschiedener Couleur geschmückten Laube ausgespart. Im Vergleich mit den puristischen Metallkonstruktionen der Nachbarnischen und dem, jenseits des großen Wasserbeckens

sich lang erstreckenden Laubengang, gerät das farbintensive Phänomen – durch die Blume gesprochen – zu einem floristischen Denkmal des verhaltenen Optimismus. Die Tätigkeit des Steckens, sprachgeschichtlich dem Stechen verwandt, findet sich früh im plastischen Oeuvre der Bildhauerin und Zeichnerin. Ihre Geflechte, Nadelstrukturen oder sich elastisch biegenden Stahlstäbe, dicht bei dicht in den Boden gesteckt und an sich wiegende Halme erinnernd, gleichen gestalterisch dem langstieligen Durchstechen der Trägerfolie. Das Abstrakte und das Gegenständliche sind in Ellen Keusens plastischer und zeichnerischer, sensible phänomenologische Strukturen untersuchender Kunst gleichrangige Sujets. Denn, was sagt mehr aus über das Verständnis von Materie und ihre Sinnlichkeit? Die betrachtende und getreuliche Wiedergabe eines Gegenstands oder seine reduzierende Abstraktion? Wie auch immer man dazu eine Antwort findet, die übervoll bestückte und unechte Rosenlaube verkündet am sonst floristisch verwaisten Ort zumindest das vitale Lebensgefühl des pop-artistischen „Flower power!“ Wer fragt angesichts ihrer leuchtenden Botschaft auch nach der Echtheit der billigen Blumen und danach, ob sie in Massen für das Kirmesgeschäft produziert wurden? Erkannte doch bereits Salvador Dali, der Meister der Irritation, dass oft die falschen Juwelen am echtesten, am brilliantesten wirken. Und wirklich: erscheinen uns nicht die weißen, gelben, orange, roten und violetten Kunstrosen im Spiel des Lichtes herrlich echt, so zartblättrig – so natürlich? Dennoch sollte bei aller Fröhlichkeit der wundersamen Rosenlaube, unter deren gespickter Kunststoffplane Platz genommen und ein malerisches Licht- und Schattenspiel bestaunt werden kann, nicht das Artifizielle des begehbaren Kunstwerks vergessen werden! – Die Ironie liegt nämlich in der Natur des Menschen, der sich schnell an Imitationen gewöhnt, frei nach Andy Warhols populärem Motto: „All is pretty!“ – Alles ist schön!

Gerhard Kolberg

VITA

Vita

1947        geboren in Düsseldorf,

1995       lebt in Köln

1995       Studium an der Werkkunstschule Düsseldorf und an der Hochschule für bildende Künste Berlin

Ausstellungsbeteiligungen (Auswahl bis 2006)

1994        „Privatgrün“, Köln (K)

1995       „Köln Kunst 4″, Köln (K)

1995       „Mit Natur“, Gothaer -Kunstforum, Köln (K)

1995       „Vier Zeichnerinnen“, -BBK Köln

1997        „Handzeichnungen“,Köln, Leipzig

1998        „Gabriele-Münter-Preis“, Erfurt

1995       „per Video“, Museum -Ludwig, Köln (K)

1995       „Köln Kunst 5″, Kunsthalle Köln (K)

2001        „Intercity“, Kunsthalle Krakau (K)

2002        „Ad Infinitum“, (Serielle Zeichnungen in der Sammlung Kramarsky), New York

1995       „Grafiktriennale“, Frechen

2004        „Infinite Possibilities“, Davis Museum, Boston

2006        „Skulptur im Park“, Köln

Einzelausstellungen (bis 2006)

1994        Artothek, Köln

1995        „Werkwechsel“, Von der Heydt-Museum, Wuppertal (K)

1996        „Der enge Raum“, Projekt in Köln, Kölnisches Stadtmuseum (K)

1995       „Silberstiftzeichnungen“, Art Base, Köln

1999        „Installation und Zeichnungen“, Schloss Ringenberg, Wesel
1999        Raumzeichnung mit Staub, Kunstverein Köln RRh im Kunstwerk, Köln

2001        Galerie Ulrich Mueller, Köln

2002        „Hin und Her“,Emschertalmuseum, Herne (K)
1995       „Hin und Her“, Stadtmuseum, Siegburg

2003        Herder Raum für Kunst Köln

2004        Galerie Ulrich Mueller, Köln

2006        „Verein für aktuelle Kunst“, Oberhausen

Stipendien

2002        Dr. Dormagen-Guffanti-Stipendium, Köln

Werke in öffentlichen Sammlungen

Museum Ludwig

Köln; Museum Kolumba

Emschertalmuseum, Herne

Sammlung W. Kramarsky, New York, Yale University Museum

Adresse

Mauenheimer Straße 75                Neusser Straße 369

50733 Köln                                        50733 Köln

e.keusen@ish.de