BILDERGALERIE

Ohne Titel

Erich Reusch, einer der bedeutendsten deutschen Künstler der minimalistischen Richtung und einfühlsamer Gestalter mit dem urbanen und landschaftlichen Raum, besitzt eine hohe Auffassungsgabe für die besondere Situation eines Ortes. Frei nach Caesars Worten könnte man – auch bezogen auf seine erste Besichtigung des Vorgebirgsparks – sagen: Er kam, er sah, er erkannte. So entdeckte Reusch mit zielsicherem Blick in der Mitte des von Laubbäumen umrahmten Wiesenrechtecks, das zum stilleren Randbereich der Gartenanlage gehört, ein rela-tiv kleines, rot und gelb leuchtendes Blumenbeet. Es erinnert aus der Ferne an eine Grabstelle und ist mit Begonien und Studentenblumen bepflanzt. Frei sprießendes Wiesengras stand bei der ersten Ortsbesichtigung im Kontrast zu seiner gärtnerischen Ordnung. Auf dieser großen Grasfläche des „Südgartens“ erscheint das kleine Beet einerseits unwirklich und fremd wie ein gelandetes Ufo, andererseits kündet es von einer naiven Liebe zur Natur. Sein stilles Dasein gleicht der berühmten surrealistischen Beschreibung des französischen Dichters Lautreamont vom zufälligen Zusammentreffen eines Regenschirms und einer Nähmaschine auf einem Seziertisch.
Erich Reusch erkannte schnell diese außergewöhnliche Situation im gartenarchitektonischen Umraum und hatte sofort folgende, inzwischen realisierte Idee. Um diesem Blumenbeet als „kleinem Ereignis größere Aufmerksamkeit“ (Reusch) zu vermitteln, lässt der Künstler das rechteckige Blumenbeet von seinen Längsseiten her von zwei 4 Meter hohen Straßenlaternen „beleuchten“. Gleichgültig, ob die Lampen brennen oder nicht; sie stehen sogar bei Tageslicht für die Beleuchtung von etwas Außergewöhnlichem und lenken, gleichfalls mit ihren Leuchtkörpern „hinabschauend“, die Aufmerksamkeit auf das Beet. Erich Reusch fordert die Imagination des Betrachters für das Besondere des Ortes heraus.

Außerdem installierte der Künstler im Abstand zu den beiden Schmalseiten des Beetes zwei 4 Meter hohe Straßenspiegel, wie man sie von schwer einsehbaren Verkehrssituationen her kennt. Ihre rechteckigen Spiegelflächen an den schlanken Masten sind zum Boden geneigt und widerspiegeln – je nach Betrachterperspektive – das Blumenbeet. Die Lampen erhellen die Situation, die Spiegel, die wechselnde Bilder von der Wirklichkeit liefern, reflektieren sie. Sie gleichen illusionistischen Bildern im realen Naturraum, ähnlich einigen Gemälden Renee Magrittes, in denen jeweils ein Leinwandbild jene (scheinbar) reale Landschaft fortsetzt in der es auf einer Malerstaffelei steht. Blicken wir hinauf zum Spiegelgeviert, dann sehen wir vor dem Himmelshintergrund das Beet und den Wiesengrund auf dem wir stehen als gespiegeltes Bild. Eine surreale Raumverkehrung findet mit einfachen Mitteln statt. Die indirekte Wahrnehmung der Realität als illusionistische Reflexion beflügelt unsere Wahrnehmung und Phantasie oft mehr als der direkte Blick auf die Wirklichkeit. Reusch macht mit seinen vier Geräten des Alltags, die er ohne verändernden Eingriff in die gefundene Situation stellt, mit Ironie das Banale zum Besonderen. Das ist sein Thema, deshalb trägt sein Kunstwerk auch keinen Titel. Es lenkt unsere Blicke wie in touchierendem Spiel über die Bande auf das Charakteristische und den Umraum des Standortes, und dient dazu, die Wahrnehmung und Gedankenanstöße anzuregen. Vielleicht wundert man sich, was die alte Plattenumrandung des Blumenbeets bedeutet? War hier einst ein Wasserbecken gewesen? Und schon blickt man sich fragend und forschend im Raum um. Wer fragt, sieht mehr!

Jochen Heufelder

VITA

Vita

1925—————geboren in Wittenberg-Lutherstadt (Elbe)

1947-53———–Studium der Bildhauerei und Architektur an der HfBK Berlin, bei Georg Leowald, Richard Scheibe und Hans Uhlmann

seit 1953———-tätig in einem Düsseldorfer Architekturbüro

1956-64———–freischaffender Architekt in Düsseldorf

seit 1964———-zunehmend als Bildhauer tätig

1973—————Klasse für Freie Kunst an der Staatlichen Kunstakademie Düsseldorf

1975-90———–Lehrstuhl ‚Integration‘ Bildende Kunst und Architektur an der Staatlichen Kunstakademie Düsseldorf

lebt in Neuenrade

Einzelausstellungen (Auswahl bis 1999)

1979—————-Galerie d + c mueller-roth, Stuttgart

1981—————-Galerie Denise Rene Hans Meyer, Düsseldorf

1984—————-Gallery44, Kaarst

1984—————-Galerie monochrom, Aachen

1984—————-Linie, Moers

1986—————-Städtische Galerie Lüdenscheid Forum Kunst

1986—————-Skulpturenmuseum Glaskasten, Marl

1984—————-Galerie Rupert Walser, München

1989—————-Galerie Hermanns, München

1992—————-Galerie Walzinger, Saarlouis

1992—————- Galerie Walzinger, Saarlouis Kunstverein Arnsberg

1995—————-Galerie Walzinger, Saarlouis

1998—————-Kunstmuseum Bonn

———————-Galerie Inge Friebe, Lüdenscheid

1999—————-Synagoge, Stommelen

Adresse

Breddeweg 4

58809 Neuenrade

www.erich-reusch.de