BILDGALERIE

Schwimmende Steine

Bekannt geworden ist Petra Siering vor allem mit Skulpturen, deren Besonderheit im Zusammen- und Gegeneinanderwirken zweier Materialien besteht. Marmor und Stahl war lange Zeit ihre bevorzugte Materialpaarung, zudem hat sie sich immer wieder mit der Kombination von Marmor (oder auch Basaltlava) und Gussbeton befasst. Schwere, lastende Materialien sowie klare, aber dennoch komplexe Formen sind typische Kennzeichen ihrer bildhauerischen Arbeit. Für ihren Beitrag zur „Vorgebirgspark Skulptur 2015“ hat sie sich auf eine Idee besonnen, mit der sie sich lange beschäftigt, die sie aber nie realisiert hatte: eine Materialkombination, die es ihr erlaubt, Schwere mit Leichtigkeit zu kontern und Steine schwimmen zu lassen. Als Ort für ihren Beitrag hat sich Petra Siering folglich das Wasserbecken im Rosengarten ausgesucht. Das etwa acht Meter breite Bassin erstreckt sich über eine Länge von gut 42 Metern und wird nur durch fünf Teichroseninseln axial unterteilt. Zu ihnen gesellen sich am 16. August 2015 sechs große schwimmende Objekte, die Petra Siering gestaltet hat. Das Längsrechteck des von einem niedrigen Mäuerchen umgrenzten Wasserbeckens ist eine formale Vorgabe, die sie konsequent aufgreift: Ihre Plastiken sind ganz aus Elementen aufgebaut, die jeweils eine längsrechteckige Grundfläche aufweisen.

Die Grundidee der Arbeit besteht darin, sechs Matten aus fünf Zentimeter dickem Polyethylen, einem schwimmfähigen Kunststoff, mit Steinen zu beladen und auf dem etwa 40 cm tiefen Gewässer schwimmen zu lassen. Ein entscheidender Punkt im Prozess der Konzeption dieser eintägigen Aktion war, herauszufinden, welcher Stein sich für diesen Zweck am besten eignet. Dabei galt es viele Details zu beachten: Größe, Farbe, Form und Proportion, spezifisches Gewicht und das Verhalten beim Kontakt mit Wasser. Zu bedenken war ebenso die Sichtbarkeit der Formen auch aus größerer Distanz sowie die Wirkung ihrer Spiegelung im Wasser. Petra Siering hat unterschiedliche Materialien getestet, u.a. Betonbalken, schwarze Basaltbrocken, weiße Marmorplatten, Bruchsteine von Abbruchhäusern, sich zuletzt aber für die Verwendung von Kalksandstein entschieden. Dabei handelt es sich um einen industriell gefertigten, jedoch aus natürlichen Einzelkomponenten (im Wesentlichen Kalk, Sand und Wasser) bestehenden quaderförmgen Stein, einen im Innen- wie im Außenbereich gebräuchlichen Wandbaustoff. Mit seiner klaren Form, der feinporigen Oberfläche und der hellgrauen Farbe, die bei Kontakt mit Wasser um mehrere Nuancen dunkler wird, steht der Kalksandstein in einem subtilen,

aber wirksamen Kontrast zur Materialität der ein wenig ins Gelbliche spielenden weißen Polyethylenmatten.

Jede der sechs Matten ist mit je zwölf Kalksandsteinen beladen. Die Steine sind jedoch nicht einfach aufgeschichtet, sondern wurden von der Künstlerin zu komplexen Formkonstellationen zusammengesetzt und mithilfe eines Spezialleims verklebt. So ergeben sich sechs unterschiedliche Arrangements, wobei die einen eher kompakt und geschlossen, andere offen und durchlässig erscheinen. Dabei entstanden unregelmäßigere und gleichmäßigere Formen, wobei exakte Symmetrie sorgsam vermieden wurde. Petra Siering ist es wichtig, dass sich die einzelnen Steingruppen aneinanderfügen lassen, dass man sie zu einer großen Gesamtform vereinen könnte. Auch wenn dies den meisten Besuchern im Vorgebirgspark sicher nicht bewusst wird, ist doch zu vermuten, dass die mögliche Passung einzelner positiver und negativer Formelemente intuitiv wahrgenommen wird.

Aufgrund des Gewichts der Steine – es handelt sich um eine Gesamtlast von annähernd 30 Kilogramm pro Objekt – biegen sich die 70 x 150 Zentimeter messenden Matten durch, d. h., die Enden der Rechtecke heben sich über die Wasserfläche nach oben, während ihre Mitte nach unten einsinkt. An der Deformation des Kunststoffmaterials wird das spannungsvolle Gegeneinander der wirkenden Kräfte deutlich ablesbar: das nach unten drückende Gewicht der starren, schweren Steine im Widerstreit mit dem Auftrieb des biegsamen, leichten Kunststoffmaterials. Die konträren Kräfte kommen dadurch zum Ausgleich, dass ein Teil der Skulptur unter die Wasseroberfläche sinkt. So ergeben sich merkwürdig ambivalente Formen im Spannungsfeld von Schwimmen und Versinken. Dabei ist es für die Gesamtwirkung wichtig, dass die Plastiken bei aller formalen Klarheit nicht kühl kalkuliert oder konstruktiv erscheinen, zugleich aber auch nicht narrativ oder gar symbolisch aufgeladen werden. Es bleibt dennoch genügend Raum für subjektive Assoziationen. Im Spiegelbild der Wasserfläche sieht es so aus, als ob sich die gebogenen Matten unter Wasser fortsetzten und auf dem Boden des Bassins aufstünden. Spätestens wenn sich die schwimmenden Objekte, vom Wind bewegt, auf der Wasserfläche gegeneinander verschieben, erweist sich dieser Eindruck, mit einem Wort des amerikanischen Künstlers Donald Judd, als „objektive Illusion.“

Peter Lodermeyer

VITA

1953               in Bonn geboren

1973               Kunststudium in Köln, FH Kunst und Design
1981               Meisterschülerin von Marianne Richter und Daniel Spoerri
1985               Stipendium der Stadt Bonn
1989               Kunstpreis der Stadt Bonn
1992               Deutscher Kunstpreises der Volksbanken und Raiffeisenbanken (4./20)
1996               Hans-Thuar-Preis, Bonn
2014               August-Macke-Medaille der Stadt Bonn

Einzelausstellungen (Auswahl)
2014               PassStücke, August-Macke-Medaille der Stadt Bonn, Künstlerforum (K)
2014               sul punto, Galerie kunstraum 21, Bonn
2012               Zeichnungen, Galerie Kunstraum 21, Köln
2011                Zeichnung und Farbe, Kunstforum Gummersbach, Theatergalerie
2010               Vier Seiten eines Blocks, Szene Rheinland, LVR-LandesMuseum Bonn, (K)
2009               Kulturforum Willich
2008               mRaum, Galerie Splettstößer, Kaarst
2014               ZwischenRaum, Theatergemeinde, Bonn
2007               oberhalb / unterhalb, KunstRaumKirche, Lutherkirche Bonn
2006               Arbeiten auf Papier, Galerie Heinz Meier, Nürnberg
2005               Zwei Richtungen, Galerie Michael Schneider, Bonn
2003               Skulptur und Zeichnung, Kunstforum St. Clemens, Köln
2000               Skulptur und Zeichnung, Kunstraum MI Posselt, Bonn (K)

Ausstellungsbeteiligungen (Auswahl)
2015               Wechselspiel, Desgranges/Knoebel/Siering, Galerie, Kunstraum 21, Bonn
2014               Dialog der Momente, mit Bruni Encke, Galerie Splettstößer, Kaarst
2014               Kaul/Siering/Lutzeyer, Verein für aktuelle Kunst/ Ruhrgebiet e.V., Oberhausen
2014               Stadtkunst 2014, Gesellschaft für Kunst und Gestaltung, Bonn
2013               INBONN, Kunstraum 21, Bonn
2014               Noch nie gesehen, Kunstmuseum Bonn
2014               BO WKB 2013, Westdeutscher Künstlerbund, Museum Bochum (K)
2012               Sammlung Klaus und Margarethe Posselt, Kunstmuseum Bonn
2010               Landpartie, Museum Liesborn, Westdeutscher Künstlerbund (K)
1995-2010–xxx- Jubiläumsausstellung, Galerie Schneider, Bonn
2008               18 X Skulptur, Thyssen Krupp AG, Duisburg, Westdeutscher Künstlerbund
2007               Acht aus Bonn, DVGW, Bonn
2005               Sunspots, Galerie Michael Schneider, Bonn
2014               BetonKunst 05, Stadtpark Nürnberg, Halle Muggenhoferstraße (K)
2014               Lohn der Arbeit, Westdeutscher Künstlerbund, VfaK/Ruhrgebiet, Oberhausen (K)
2002               Westdeutscher Künstlerbund, Museum Bochum (K)
2000               Kunstraum MI Posselt, Bonn
2014               Gabriele-Münter-Preis, Frauenmuseum Bonn, Kammgarnspinnerei Leipzig (K)
2014               Westdeutscher Künstlerbund, Städtische Galerie, Lüdenscheid (K)

http://www.petrasiering.de