BILDERGALERIE

Where birdsong ends & fall begins

Ein Park ist ein akustisch reicher, vielfältiger Raum. Dort wäre eine sich stetig verändernde Klanglandschaft zu vernehmen, eine Mischung aus Naturlauten (gelegentliche und länger anhaltende, solche die Tiere hervorbringen und solche die zu den Elementen gehören), im Hintergrund alle möglichen Stadtgeräusch und die zeitweiligen und währenden, die aus der Benutzung des Parks resultieren: Gejohle und Gejuchzte, Hundebellen, Gesprächsfetzen in diversen Sprachen, Handyklingeln, Tischtennisballklacken und das Zischen der Würste auf dem Grill, Skateboardgerolle … – Stille fast nie. Fortwährend verändert sich in diesem Hörraum etwas, die Jahres- und Tageszeiten haben ihren Sound, wie sich auch die Werk- von den Feiertagen akustisch unterscheiden, jede Witterung ihren eigenen Klang erzeugt.

In diese polyphone Geräuschkulisse mischt sich, für einen Tag und auch nur an einigen Bereichen des Staudengartens wahrnehmbar, etwas, das fast wie Vogelstimmen klingt und doch sind es keine. In einem scheinbar freien, unregelmäßigen Rhythmus wiederholen sich Töne, variiert die Länge dieser Rufe wie auch die Abstände zwischen ihnen. Mal ist nur eine, dann keine und bald wieder einige der tschilpenden Pfeifereien vernehmbar (ein bisschen jungvogelhaft, rührend, akustisches Kindchenschema schwingt mit) – wie viele es sein könnten, ist kaum zu hören, zu sagen. Wer einige Zeit lauscht, wird verschieden hohe Stimmen, individuelle Muster unterscheiden können. Macht man sich auf die Suche nach der Quelle der seltsamen, natürlich und doch (je länger, genauer man hinhört) artifiziell, maschinenhaft klingen Rufe, findet man am Rande des Staudengartens eine schmale, halbverborgene Übergangszone zwischen geordnetem, strukturiertem Gelände und der relativen Wildnis eines kleinen Waldes, ein begehbarer Bereich zwischen Büschen und Bäumen. Hier sind kleine, unauffällige Klangkörper an Ästen und Bäumen befestigt, etwa ein Dutzend verteilt auf einer Strecke von fünfzehn, zwanzig Metern.

Ralf Schreibers Klanginstallation Where birdsong ends & fall begins besteht aus selbst konstruierten Musikmaschinen, die in der Tradition mechanischer Klangspielzeuge stehen. Thunfischdosengroße zylindrische Behälter versehen mit einer zweifarbigen Lackierung in einem unregelmäßigen Zackenmuster und einer kleineren Öffnung, die einen Blick ins Innere der Klangerzeuger gestattet. Die Funktionsweise der dort sichtbaren Mechanik – Ralf Schreiber hat sie aus altertümlichenSpielzeugvögeln ausgebaut – beschreibt der Künstler folgendermaßen:

„Ein Motor treibt langsam ein Zahnrad an. Über Einkerbungen auf dem Zahnrad wird ein kleiner Gummibalg bewegt, der eine kleine Pfeife anbläst. Die Abfolge der Einkerbungen regelt den Rhythmus. Die Tiefe der Einkerbungen regelt Lautstärke und auch Tonhöhe (durch leichtes Überblasen). Das Zahnrad braucht für eine Umdrehung ca. 5 Sekunden, entsprechend lang sind die Musikeinheiten, die fortlaufend geloopt werden.“ Diese künstlichen Tonfolgen sind mechanische Entsprechungen für im Park von Ralf Schreiber aufgezeichnete Vogelrufe, die in der grafischen, an ein vereinfachtes Schalldiagramm erinnernden Gestaltung der Dosen eine visuelle Umsetzung erfahren haben.

Die kleinen Motoren der Spielautomaten sind strombetrieben, in den Zweigen hängende Solarzellen liefern die benötigte Energie. Sie wird in ebenfalls in jeder Dose untergebrachten Ladekondensatoren gespeichert. Je nach Sonnenstand, Verschattung und Bewölkung ist die notwendige Energie mal schneller, mal langsamer gewonnen. Ist nach einigen Minuten ein bestimmtes Energieniveau erreicht, setzt sich der Spielmechanismus ist Gang, ertönt die jeder einzelnen Klangdose eigene Tonfolge, wiederholt sich zwei- oder dreimal und verstummt nach zehn bis zwanzig Sekunden wieder. Auch wenn es zeitweilig Wiederholungen und erkennbare Spielmuster geben wird, so bleibt der Gesamtverlauf doch zufällig und ist allenfalls begrenzt steuerbar.

Der Titel Where birdsong ends & fall begins, der einen vergessenen, melancholischen Jazzsongs zitieren könnte, macht aus den kurzen Stücken der Klangmaschinen (die auch wie ein einziges, stundenlanges Werk gehört werden könnten) einen Abgesang auf den Sommer, fällt die Eintagesaufführung doch zusammen mit dem Herbstanfang, dem sicheren Ende der Vogelgesangssaison. Gerade die immer wieder nach wenigen Sekunden abbrechenden oder verebbenden Klangstücke, die gegen Abend wegen der geringeren Sonneneinstrahlung wohl auch immer seltener zu hören sein werden, vergegenwärtigen dieses die akustische Atmosphäre des Parks im Jahreszeitenübergang prägende Verstummen.

Das alles (und manches mehr) wäre zu vernehmen und ist doch leicht überhört. Belohnt wird, wer hinhört, sich Zeit lässt.

VITA

VITA

geboren 1964 in Köln

arbeitet in den Bereichen Robotik-, Kinetik-, Klang- und Lichtinstallation, elektronische Musik

Studium an der Kunstakademie Münster (Akademiebrief, Meisterschüler bei Paul Isenrath)

Postgraduiertenstudium an der Kunsthochschule für Medien Köln (Diplom audiovisuelle Medien)

Ausstellungen, Konzerte, Workshops (Auswahl)

Transmediale Berlin, Interferenze Neapel, EMAF Osnabrück, Frankfurter Kunstverein, Laboral Spanien, Edith Russ Haus Oldenburg, Rauma Bienale Balticum Finland, Artbots NY, Mudam Luxemburg, Fridericianum Kassel, Centre Pompidou, Taipei Fine Arts Museum Taiwan, Museum Moyland, Kloster Gravenhorst, Moltkerei Werksatt Köln, Frise Hamburg, Skuc Gallery Slovenien, Rachel Haverkamp Köln, Kunsthallen Brandts Dänemark, Galerie Walden Berlin

Lehraufträge an Kunsthochschulen (Auswahl)

UDK Berlin, Akademie der Künste Berlin, Fachhochschule Design Aachen, Escola Superior de Artes e Design Porto, Ecole Supérieure d’Art Cambrai, Bauhaus Uni Weimar, Freie Universität Bozen, HISK Gent, Design Akademie Eindhoven

Ralf Schreiber arbeitet mit Elektronik, mit Solarzellen, Motoren und Kleinstlautsprechern. Seine spielerischen und experimentellen Arbeiten

erzeugen leise Klänge und kleinste Bewegungen und beschäftigen sich dabei mit schwachenergetischen Transformations-Prozessen (der Wandlung von Licht in Bewegung und Klang). Schwerpunkt seiner Arbeiten bildet das Langzeitprojekt „Living Particles“ mit immer neuen Konstellationen kleinster, miteinander kommunizierender und interagierender Mini-Roboter.

www.ralfschreiber.com