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2003

By 20. Oktober 2013Oktober 29th, 2013Presse

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2003——————————–Junge Kunst, Januar – März 2003, Heft 53

 Skulpturen im Kölner Vorgebirgspark

 Ein Projekt der IG Kunst im Park

 Der Vorgebirgspark in Köln-Raderthal. 1914 eröffnet, verbindet er auf 13 Hektar eine Iandschaftlich gehaltene, offene Fläche mit einer eingegrenzten, klar strukturierten Gartenanlage. Dabei bildet er mit seiner  inhaltlich funktionalen Ausrichtung, seinem Nebeneinander von verschieden nutzbaren Räumen den „ersten neuzeitlichen Volkspark“ der Domstadt. So jedenfalls bezeichneten ihn sein Schöpfer, der Gartenarchitekt und damalige Kölner Gartendirektor Fritz Encke. Bis heute ist das Kleinod in seiner Grundstruktur unverändert: Weiterhin  bestehen zwei in Gestalt und Funktion unterschiedliche Bereiche. Den kleineren von ihnen bilden vier entlang einer Hauptachse angeordnete und architektonisch gestaltete Gartenräume. Wenn diese „Sondergärten“ auch nur in Grundzügen ihrem ursprünglichen Zustand und einstigen Ausgestaltung entsprechen, so ist die besondere gartenkünstlerische und räumliche Qualität der Anlage doch unvermindert erkennbar.

 Seit 1999 finden in diesem außergewöhnlichen Ambiente temporäre Installationen von Bildhauernlnnen statt. Ausgangspunkt war die (private) Überlegung von Dr. Joachim Bauer, Abteilungsleiter Planung, Entwurf, Neubau und Forst im städtischen Amt für Landschaftspflege und Grünflächen, wie man Kunst im öffentlichen Grünbereich integrieren und präsentieren könne: „Für mich persönlich stellt skulpturale Kunst immer ein Teil der Grünplanung dar.“ In Gesprächen mit Dr. Gerhard Kolberg vom Museum Ludwig verfestigte sich nicht nur Bauers Idee, zudem konnten für das exemplarische Projekt weitere Mitstreiter gewonnen werden. Der 1998 gegründeten, ehrenamtlich tätigen Arbeitsgruppe von an Kunst im öffentlichen Raum und Grün Interessierten, die sich später IG Kunst im Park taufte, gehören neben den beiden Genannten bis heute weitere vier Mitarbeitende und Leiter verschiedener städtischer Ämter an. Außerdem zwei Kuratoren aus Köln, darunter Jochen Heufelder, unter anderem Leiter des Fuhrwerkswaage Kunstraums.

 „Wir haben lange geprüft,  weichet Anlage sich für unser Projekt eignet“, erinnert Bauer. »Sie sollte nicht zu groß; aber groß genug sein “ Diverse Grünbereiche waren im Gespräch. Sogar Besichtigungstouren wurden unternommen. Schließlich wandte sich die Aufmerksamkeit der Privatinitiative dem Vorgebirgspark zu. Heufelder hatte den Gartenteil des Parks bereits vor Jahren für sich „entdeckt“, und ein ortsbezogenes Ausstellungskonzept entwickelt. Dieses wurde in veränderte Form, gefördert durch städtische und private Mittel, im Herbst 1999 erstmals realisiert: zwei Dauerpräsentationen ergänzt durch drei eintägige Installationen mit jeweils zwei weiteren Künstlernlnnen.

 Dauerpräsentationen

 Knapp fünf Wochen zu sehen waren der „Parkläufer“ von Kirsten Kaiser und die Installation „ohne Titel“ von Erich Reusch. Inspiriert von den Tischtennisplatten innerhalb des Baumhofes und der südwestlich angrenzenden, zum Fußballspiel einladenden Wiese, verfolgte Kaiser konsequent eine „sportliche“ Lösung. Sie verwandelte den sich queraxial durch den Baumhof ziehenden Weg vom Südgarten bis hin zum Rosengarten mit blau-weißem Regupol in eine Laufbahn, und gesellte dazu ein Siegerpodest. Reusch widmete sich derweil dem minimalen Blumenbeet innerhalb der im Vergleich unproportional großen Grasfläche im Südgarten. Der Neuenrader Bildhauer verhalf dem unwirklich erscheinenden, banalen „keinen Ereignis“ mit zwei vier Meter hohen Straßenlaternen zu mehr Aufmerksamkeit, und unterstrich dessen „neue“ Besonderheit mit zwei gleich großen Straßenspiegeln. Diese lenkten den Blick nicht allein auf die gelb-rot leuchtende Beetbepflanzung, sondern reflektierten den gesamten Umraum. Gleichzeitig belegten sie einmal mehr, welch anregenden Einfluss die Erweiterung der Perspektive auf das Spiel der Gedanken besitzt. Nur am Eröffnungstag zu sehen waren die Beiträge von Heinz Breloh undAndrea Ostermeyer. Zwei Wochen später folgten die ebenfalls eintägigen Eingriffe von Thomas Klegin sowie Andreas Kaiser, der im Park verstreut anzutreffende alte Betonquader mit Verhaltensvorschriften wie „Hunde fernhalten“ im Rosengarten zusammenzog, und damit die Ensemble-Teile als antiquierte Zeitzeugen kurzzeitig in den Mittelpunkt rückte. Zugleich suchte er die Verbindung von Garten und Park, indem er ihre Original-Standplätze, die Entnahmestellen, „Baustellen gemäß“ mit Pfosten und Signalband markierte. Am Schlusstag der ersten Serie diente Rolf Julius das 43 mal 8,30 Meter messende Wasserbecken des Rosengartens als Bühne für seine Klanginstallation, während Heike Pallanca an den Herbst als Erntezeit erinnerte. Sie wandelte die einst mit Skulpturen versehenen, heute unbesetzten vier Steinsockel im Staudengarten in „Gabentische“ um. Präsentierte auf ihnen ägyptische Schalen mit einheimischen und exotischen Früchten, von denen zu kosten die Besuchenden eingeladen wurden. Auf eben diese verwitterten Postamente hatte zuvor der inzwischen verstorbene Breloh seine überwiegend farbglasierten und daher teilweise reflektierenden, leuchtenden keramischen Skulpturen „Cupido als badender Bildhauer“ gesetzt, während Ostermeyer im erwähnten Seerosenbassin unter anderem mittels einer „unendlich langen“, pinkfarbenen PVC-Schnur „impulsiv-gestische Unterwassermalerei“ zeigte.

 Im Jahre 2000 beschränkte sich das Projekt auf eine einzige, gleichwohl raumgreifende Arbeit. Claus Bury konzipierte für den Baumhof die 36 Meter lange, begehbare Holzskulptur „Gehörgang“. Bestehend aus zwei leicht diagonal versetzten, miteinander verbundenen Tunnelgängen, nahm sie den axialen Verlauf des Parkweges auf. Gleichzeitig orientierte sich Bury an der Höhe der den Gartenraum zu zwei Seiten abschirmenden Hecken und der Länge der vom „Gehörgang“ durchquerten zentralen Rasenfläche. Der schmale, bis auf Schulterhöhe an den Flanken offene Steg trug auf einer dem gotischen Strebepfeilersystem verwandten Balkenkonstruktion eine beplankte kreisrunde Tünnelwölbung. In der Form erinnernd an orientalische Architekturbögen, an (benachbarte) üppige Rosenspaliere, schattige Laubengänge oder Alleen, bot Burys Arbeit eine Vielzahl von Eindrücken und Ausblicken.

 In 2001 griff man erneut auf ein mehrteiliges Konzept zurück. Zwei Dauerpräsentationen von Viktoria Bell und Paul Isenrath wurden mit je zwei eintägigen Installationen von Tina Haase und Maik & Dirk Löbbert sowie Heinrich Brummack und Christel Fetzer kombiniert. Isenrath wählte für seine Ortsmarkierung „Zeitvertreib“ eine Baumgruppe, einige hundert Meter vom Garteneingang entfernt. Aus deren „Gewölbe“ ließ der 64-jährige Düsseldorfer, als Variante des „Schreckens“ in einer „erhabenen Natur“, mittig einen überdimensionierten Henkerstrick herabhängen.

 Bell platzierte im Wiesengeviert der Anlage ihre zweiteilige, 275 cm hohe, expressive, durch „pralle Wölbungen“ gekennzeichnete Eichenholzplastik „Propeller für D.“ Haase vermittelte im Rosengarten mit ihrer Arbeit „Verwechslung“, zwölf von silbern metallisch schimmernden Kunststoffplanen umhüllte Motorräder, den Eindruck erstarrter, weidender Stiere oder von Findlingen. Die Brüder Löbbert erweiterten das geometrische Gefüge des Staudengartens in die Vertikale, indem sie an den vier kubischen Steinsockeln befestigte rote Luftballons, schwebenden „Bojen“ gleich, in elf Meter Höhe aufsteigen ließen. Zugleich spielten sie in ihrer „Sockelskulptur“ mit der „Zerstörung“ der geometrischen Ordnung, da das „imaginäre stereometrische Gerüst“ selbstverständlich auch dem Spiel des Windes ausgesetzt war.

 Christel Fetzer nahm sich ebenfalls der Sockel an. Dadurch, dass sie diese abwechselnd mit roten und blauen Gummibändern umspannte erzielte sie eine strenge horizontale Strukturierung sowie große Nähe zur Farbfeld-Malerei und Op-Art.. „Wegen seiner doppelten Breite dominiert Rot“, so Manfred Schneckenburger. „Es nimmt überdies komplementären Kontakt zur grünen Umgebung auf und wird dadurch noch verstärkt (…) Je weiter wir uns entfernen, desto enger verschmelzen die Farben. Im Wechsel von Nähe und Distanz nehmen die Sockel so die ganze Weite des Gartens, den landschaftlichen Raum in sich herein. Eine komplexe Interaktion der Farben – weit über den einfachen Kontrast hinaus.“ Mit einem märchenhaften Objekt, einem surrealen Säulenhasen, reagierte Heinrich Brummack auf das Seerosenbecken. „Das blaue Wunder“ nannte er seine Installation eines goldenen Hasen, der auf einer markant roten Säule steht und an dessen Angel ein blauer Fisch zappelt.

 Gartenkunst

 „Mir gefällt unser Projekt deshalb so gut, weil es Arbeiten präsentiert, die für den Ort gemacht sind. Mich interessiert, wie sich Künstler mit Gartenkultur auseinandersetzen. Denn ein Garten hat immer auch eine eigene künstlerische Qualität. Schließlich wird über die Kunst wiederum Interesse für den Park selbst geweckt“, erläutert Bauer seine Motivation, bei dieser „innovativen Privatinitiative“ mitzuwirken. Heufelder stimmt dem zu: „Die Auseinandersetzung mit der Gartenarchitektur im Vorgebirgspark stellt für jeden Künstler, jede Künstlerin eine Herausforderung dar. Das Resultat der Auseinandersetzung mit der Situation ist vor Ort erlebbar. Die unterschiedliche Verweildauer der Arbeiten fokussiert zudem das Interesse sowohl auf die Kunst, wie auch die Parkanlage und ihre wechselnde Vegetation.“ Es sei aber nicht nur wichtig zu zeigen, wie der Künstler auf den Ort reagiere, sich auf ihn einlasse. Interessant sei ebenso, aus der Sicht der Ausstellungsmacher und Besucher, die jeweilige Konstellation der Künstler. Die unterschiedlichen Kombinationen und Positionen im Umgang mit dem Raum. Der Austausch untereinander.

 Grundsätzlich erfolgt die Teilnahme an den Ausstellungen allein auf Einladung durch die Kuratoren. Begleitet werden diese von Publikationen, die im Fuhrwerkswaage Kunstraum und der Moltkerei Werkstatt, beide Köln, erhältlich sind. Die nächste Veranstaltung im Rahmen desProjektes Vorgebirgspark-Skulptur in Köln-Raderthal, Eingang Kreuznacher Straße, findet im Mai 2003 statt. Mit voraussichtlich zwei mehrwöchigen und je zwei eintägigen Präsentationen werden sechs Künstler wiederum auf alle vier Gartenräume eingehen.

 von Engelbert Broich