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Klangzelt

Zelt aus Stoffbahnen und Holzbogen, 210 x 500 x 500 cm

Klangstuhl aus Holz, Stoffbahnen, 2 Lautsprechern, Sampler, Interface, Verstärker, 1/5 x 60×65 cm

Im Komplementärkontrast zum umgebenden Grün des Vorgebirgspark zieht im dortigen Baumhof ein rotes Zelt die Aufmerksamkeit auf sich. Seine pyramidale Form rundet sich wie aus Dreieckssegeln gestaffelt. Hin und wieder erklingen aus seinem Innern Töne, die das Interesse an ihm noch steigern. Tritt man, nähergekommen, durch den hohen Eingang in das Zelt ein, dann steht man unmittelbar vor einem ebenfalls roten Stuhl, dessen überhohe Rückenlehne eher an einen Thron denken lässt. Und wenn er gerade nicht besetzt ist, dann lädt er zum Platz nehmen ein. Die Herkunft der Klänge ist rasch lokalisiert. In der Rückenlehne verborgene Lautsprecher senden sie aus. Geht man um den zentralen Stuhl, der zugleich die Zeltspitze hält, herum zu seiner Rückseite, dann würde man dort auf eine Person treffen, die gerade die Töne erschallen lässt. Die Rückseite des hohen Stuhls ist mit Stahlsaiten bespannt, die man entweder durch konventionelles Anschlagen und Zupfen oder per Elektronik dauerhafter zum Erklingen bringen kann, indem man durch leichtes Handauflegen die auf einem Sampler gespeicherten Klänge ertönen lässt – akustisch intensiviert durch einen Verstärker. Der rote Stuhl erweist sich mithin als ein sonores Möbel, das rote Zelt, und darüber hinausgehend die unmittelbare Umwelt, als Klangraum.

Die in Köln lebende Künstlerin Monika von Wedel gestaltet seit zwanzig Jahren solche Symbiosen aus Musik und bildender Kunst und zählt zu den Pionieren der so genannten Klangskulptur. So schuf sie im Grenzbereich von Bildhauerei und Musik neben minimalistisch anmutenden >Klangtafeln< (1998/1999), die vornehmlich eine graphische Partitur ins Räumliche übersetzen“ (Sabine Schütz), auch bespielbare Objekte wie die (ebenfalls) stuhlförmigen Klangmöbel namens >Doppelharfe< (1985) und >Koto< (1986), auf deren gespannte Saiten sogar professionelle Musiker improvisierten (Moltkerei 1987). Bereits seit den achtziger Jahren kooperiert die Künstlerin mit Musikern und Komponisten und versucht, zusammen mit ihnen und dem Publikum, Musik sichtbar zu machen. Versuche, bildende Kunst und Musik zu verbinden (sieht man einmal von der synästhetischen Oper ab), haben eine längere Tradition, wenn man etwa an Mussorgskijs Impressionen einer Bilderausstellung oder an das experimentelle Farbklavier des italienischen Futuristen Russolo denkt. Die, Konventionen bewusst überwindende moderne Kunst des 20. Jahrhunderts und insbesondere die elektronische Technik unserer Tage haben der zeitgenössische Klangskulptur bedeutende Impulse zu ihrer Entwicklung gegeben, die deshalb sogar mit dem abstrakteren Begriff des Klangraumes gestalten kann. Bewusst wird in diesem Zusammenhang auf die Fähigkeit des Menschen angespielt, bei ansprechender Musik und charakteristischen Tönen assoziativ bildliche Imaginationen zu erleben, bei großer Vorstellungskraft solche gewissermaßen sogar physisch.

In diesem Sinne beschränkt sich das gestalterische Repertoire Monika von Wedels nicht allein auf visuell ablesbare Partitur-Objekte oder zur musikalischen Benutzung einladende Klangobjekte, sondern sie vermag sogar einen vorgefundenen Raum in einen kollektiv zu erlebenden Klangkörper zu verwandeln. Die erwähnte Imagination wurde angesprochen, als die Künstlerin im Ludwig-Forum, Aachen den magischen Klang des Ausstellungsraumes aufspüren wollte, indem sie zwei schwarz lackierte Holzsäulen, >Wächter< bezeichnet, mittels extrem gespannter Klaviersaiten derart drastisch unter die Raumdecke zog, dass sie schwebten und oben auseinanderklafften. Über das Visuelle kommt auch die Psychologie ins Spiel, ein geheimnisvoller Druck liegt in der Luft, ein Klang (auch ein imaginärer) kann ihn lösen oder intensivieren. Selbst beim Anblick eines Foto von dieser Rauminstallation (Moltkerei 2002) geht von den Objekten etwas seltsam Akustisches aus und man ahnt, dass man solche >Skulpturen nicht unbedingt bespielen< muss >und ihren Klang dennoch spürt< (Jürgen Kisters, Kunstforum, 2003).

All die geschilderten Aspekte kommen auch im roten Zelt, das im Baumhof steht, zur Wirkung. Von der idealen Konzeption her ist es ein Kunstwerk für zwei. Einer spielt aktiv auf der Klangskulptur, ein zweiter sitzt im Stuhl – beide ergeben eine Metamorphose –und gibt sich lauschend den Tönen hin. Er spürt die Vibrationen der Klänge, wird selbst zum Klangkörper, der mitschwingt. Blickt der Thronende aus dem in rotes Licht getauchten Zeltraum hinaus in die gartenarchitektonische Vegetation des Baumhofs oder darüber hinaus in die Weite der offenen Parklandschaft, dann verbindet er vielleicht Sichtbares und Musikalisches in persönlichen Imaginationen. Möglicherweise wird er selbst durch profane Geräusche inspiriert oder aber- ganz im Sinne der romantischen Ironie – aus seinen Träumen gerissen und in die triviale Realität zurückgeholt. Und da die Klänge über das rote Zelt hinaus erschallen können – je nachdem ob der gerade im Zelt Musizierende einem Pianissimo oder einem Fortissimo den Vorzug gibt – ist sogar ein subjektives Imaginieren im Kollektiv wahrscheinlich. Die scheinbar beste Position nimmt in dieser Klanginstallation der auf dem roten Stuhl Sitzende ein, dabei warmfarbig umgeben von einem mantelartig den Innenraum schützenden Zelt, eingehüllt von Tönen – jedoch anhängig von dem Klangerzeuger hinter dem Stuhl, der >die Musik macht<. Monika von Wedels Klangzelt ist also kein Refugium in der Realität. Es gibt aber Anregungen, diese mit Auge und Ohr intensiver wahrzunehmen und ein wenig mitzugestalten. Ton aus.

 Gerhard Kolberg

 Vita

 Lebt und arbeitet in Köln.

 Biographie und Ausstellungen bis 2002 (Kurzfassung)

1974-79          Studium der Freien Malerei, FH Köln, bei Prof. W. Schriefers

1981—————Kunstverein Bonn

———————-Stipendium des Kunstfonds e.V.

———————-Kasematte XX, Düsseldorf

———————-Von-der-Heydt-Museum, Wuppertal

———————–Kunsthalle Bremen; Wandelhalle Köln

———————-Arbeitsaufenthalt in der Pianofortefabrik Steingraeber, Bayreuth

———————-Goethe Institut, Nancy

———————-Krings-Ernst-Galerie, Köln

———————-Ankäufe Sammlung Ludwig, Aachen; Kunstverein Bonn

———————-Kunsthistorisches Institut der Universität, Bonn

1989————–Krings-Ernst-Galerie, Köln

———————-Kunstraum Fuhrwerkswaage, Köln

———————-Museum Ludwig, Aachen; Kunsthalle Köln

———————-Kunstmuseum Ehrenhof, Düsseldorf

———————Krings-Ernst-Galerie, Köln

———————Auslandsstipendium der Ludwigstiftung, Aachen und des Consejo

———————nacional de las artes plasticas, La Habana, Cuba

———————Gastforscherin am Forschungszentrum für Informationstechnik,

———————St. Augustin beiBonn

———————Galerie Lara Vincy, Paris

———————Taller cultural, Santigo de Cuba

1994————-Stipendium des Künstlerdorfes Schöppingen/NRW-Stiftung;

———————Städtische Galerie, Iserlohn

———————Kunst-am-Bau, Masserberg/Thüringen

———————Forum Musik und Elektronik, Osnabrück

———————Galerie Marre und Dahms, Essen

———————Moltkerei Werkstatt, Köln

———————Förderverein Aktuelle Kunst, Münster

———————Gustav-Lübcke-Museum, Hamm

———————ORTungen, Münster

———————Ankäufe, Kunstsammlung der Stadtsparkasse, Köln

———————Kunstverein Dortmund

———————Galerie Lara Vincy, Paris, Gallery Surge, Tokyo

———————Centro de Arte, Museo national Reina Sofia, Madrid

———————Echnaton Gallery Center of Art

———————Goethe Institut, Kairo

———————Moltkerei Werkstatt, Köln

Adresse

Ubierring 26

50678 Köln

 m.vonwedel@cityweb.de

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