BILDERGALERIE

Endlagerung

Je drei schmale Rasenstreifen säumen die beiden Längsseiten des Seerosenbeckens im Rosengarten. Derzeit sind sie besetzt mit schmalen, annähernd gleich großen Betonquadern – paarweise plaziert – die Grabsteinen nicht unähnlich sind. Alle sind gelb oder weiß gestrichen und einseitig mit einer Beschriftung versehen, Auszügen aus einer Parkordnung: ‚Hunde fernhalten‘, ‚Nicht Radfahren‘, ‚Rad- und Mofafahren verboten‘ und Regelungen zur Nutzung des Kinderspielplatzes, oft mit dem Nachsatz ‚Benutzung auf eigene Gefahr‘. Wer kennt sie nicht, die stummen Repräsentanten der Gartenverwaltung, die in den unterschiedlichsten Parkanlagen im Lande anzutreffen sind.
Hier, auf den kleinen Rasenstücken, demonstrieren die Steine mit ihrem Auftritt auf kleinster Fläche – zudem noch zu zweit – eine deutliche Uberpräsenz in Relation zur Größe des jeweiligen ‚Territoriums‘. Sollte es inzwischen wirklich notwendig geworden sein, jede Wiese mit Verhaltensvorschriften zu besetzen? Dieser Gedanke relativiert sich jedoch sehr schnell angesichts der lockeren Anordnung der Steine. Auch der sehr gute Allgemeinzustand des Geländes macht ihre Präsenz überflüssig.
Auffällig hingegen ist der Zustand der Steine. Farbe blättert ab, unterschiedliche Farbschichten sind erkennbar, die Beschriftung ist mitunter unleserlich und die Kanten sind teilweise beschädigt. All dies ist Beleg für eine langjährige Präsenz im Freien, die Betonsteine sind Fundstücke. In der Tat standen alle Steine bis vor wenigen Tagen im weiten Rund der angrenzenden Parkanlage und wurden von Andreas Kaiser dort entnommen.
Aufgestellt in den sechziger Jahren hatten sie damals die Funktion, eine gewisse Ordnung zu gewährleisten. Als stumme Mahner sollten sie an die Einhaltung mehr oder weniger selbstverständlicher Verhaltensregeln erinnern. Die letzten dreißig Jahre jedoch haben den Stellenwert dieser Steine bis zur Bedeutungslosigkeit reduziert. Allein der physische Zustand ist schon Beleg für ihre gesunkene Bedeutung, sie wurden schon lange nicht mehr überarbeitet, die Schrift nicht aufgefrischt. Die Ordnungsfunktion hat nur noch historischen Wert.

Die Zeiten haben sich eben geändert, Fahrradfahren ist heute empfohlen, die Wege sollen dafür genutzt werden. Ballspielen ist eine inzwischen stark verbreitete Freizeitbeschäftigung für jung und alt und Hunde werden ohnehin nur selten angeleint. Die Steine fristeten bisher an ihrem alten Platz nur noch ihr Dasein, weil niemand sie entfernte.Heute, hier im Rosengarten, haben die Steine als Ausstellungsstücke den selben Stellenwert wie etwa Dampflokomotiven und Oldtimer. Sie sind Zeugen einer Zeit, die noch gar nicht so lange zurückliegt. Andreas Kaiser hat ihnen einen besonderen Platz zugewiesen. Für einen Sonntag stehen sie als Ensemble im Mittelpunkt, wie eben alte Autos und Lokomotiven bei Messen und Sonderfahrten. Das unterscheidet sie von den im Park zurückgebliebenen Steinen, wenngleich ein wenig des temporären Glanzes auch auf diese abfällt.
Der Künstler hat die Entnahmestellen im Park wie bei einer Baustelle mit kleinen Pfosten und rot-weiß-gestreiftem Signalband markiert und stellt so eine Beziehung zwischen den Gärten und dem Park her. Vom Gartenbereich aus kann sich der Besucher auf die Suche machen und die alten Standorte aufspüren. Die Installation erweitert so seinen Radius, er wird vom umkreisenden Betrachter der kleinen Wiesengevierte zum Suchenden im Park.
Endtlagerung, der Titel ist doppeldeutig. Was passiert mit den Steinen nach Ende der Präsentation? Kommen sie wieder an den ursprünglichen Ort zurück, oder werden sie nun vollends end-gelagert? Diese Frage impliziert schon die nächste: Wie wird das Parkgelände ohne die reinstallierten Steine wirken? Der Betrachter mag dies für sich selbst entscheiden.
Das Prinzip Ordnung, basierend auf Verhaltensregeln, hat in ca. dreißig Jahren an Bedeutung verloren. Die strukturelle Ordnung der Anlage dagegen hat bisher 88 Jahre überdauert. Die streng axiale Spiegelsymmetrie der Anlage wird von Andreas Kaiser durch die mehr zufällige Anordnung der entlagerten Steine im Kontrast betont. Dagegen machen die Ausstellungsstücke als Ensemble einen Wertewandel bewusst.

VITA

Vita

1967—————-geboren in Fürth

1988/96———-Studium Kunstakademie Münster

1994—————Meisterschüler bei Prof. Joachim Bandau

1995—————Förderpreis der Robert Bosch AG

1996—————-Akademiebrief

———————-Stipendium Cite Internationale des Arts, Paris

1997————— Gotlandstipendium des Landschaftsverbandes Westf./Lippe

1998/99 ———-Stipendium der Stadt Mönchengladbach

1999—————-Preisträger Denkmalwettbewerb Sr.Maria Droste zu Vischering

———————-Leo-Breuer-Förderpreis des Landschaftsverbandes Rheinland

———————-Kunstpreis der Stadtsparkasse Magdeburg

———————-Kulturförderstipendium der Westfälischen Wirtschaft

Einzelausstellungen (Auswahl)

1995—————-‚FLUCHT»‘ , Wewerka-Pavillon, Münster

1997—————-‚VERS LA SEINE – SEINEWARTS‘, Cite des Arts, Paris

———————-‚OPENING‘, GFK Visby, Gotland/SE

1997—————-‚BUNKHOUSE‘, Kunsthalle Recklinghausen ‚CABINET‘, —

———————-Kunstraum Fuhrwerkswaage, Köln

1997—————-‚SÄULENSILAGE‘, Museum Abteiberg, Mönchengladbach Raum für

———————-Kunst, Elisengalerie, Aachen

———————-Museen der Stadt Lüdenscheid (mit Claudia Wissmann)

Ausstellungsbeteiligungen (Auswahl)

1996—————-‚PARCOURS‘, Rathausinnenhof, Münster

———————-‚ORTSBEGEHUNG‘, Schloss Brake, Lemgo

———————-‚STANDORT-GRUNDLINIE‘, Grüner Grund, Münster

1996—————-‚PARK‘, Marktplatz, Holzminden