Die mehrteilige Arbeit „Verborgene Natur“, die Claudia Robles-Angel im Immergrünen Garten installiert hat, ist ein gutes Beispiel dafür, dass dem Konzept der Vorgebirgspark Skulptur ein weit gefasster, undogmatischer Skulpturbegriff zugrunde liegt. Die aus Kolumbien stammende Künstlerin, die seit vielen Jahren in Köln lebt, ist keine Bildhauerin – auch nicht im weitesten Sinne des Wortes vielmehr arbeitet sie im Bereich Audiovisuelle Kunst und Neue Medien und ist mit den unterschiedlichsten elektronischen Hilfsmitteln, mit Film und Video, mit Licht und Sound auf internationalem Parkett unterwegs. In ihren Performances arbeitet sie oft an der Schnittstelle zwischen Mensch und Technik.
Für ihren Beitrag zur Vorgebirgspark Skulptur 2019 hat Robles-Angel ein Medium in den Mittelpunkt gestellt, das in der zwanzigjährigen Geschichte dieses Skulpturenprojekts kaum einmal zum Einsatz gekommen ist: die Fotografie. Die Künstlerin hat sich im Park auf die Suche nach Motiven gemacht, die so etwas wie eine „verborgene Natur“ zur Anschauung bringen – im Unterschied zu der unverborgenen, unmittelbar sichtbaren „Natur“ des Parks, die man vielleicht besser als eine domestizierte Restnatur bezeichnen sollte. Die Makrostruktur des Parks – Bäume, Rasen, Gehwege, Sitzbänke, Wasserbecken, Blumenbeete und so weiter – ermöglicht ein vorstrukturiertes Naturerlebnis als Erholungs- und Freizeitangebot für Städtebewohner. Doch darunter, auf der Mikroebene, findet ein natürliches Geschehen statt, das sich von den Parkbesuchern weitgehend unbeeinflusst und meist unbemerkt abspielt. Claudia Robles-Angel hat mit ihrer Kamera nach solchen übersehenen Gegebenheiten gesucht und ist dabei insbesondere auf die reiche Formenwelt der Flechten gestoßen, die überall, auf Gehwegen, Steinen und Bäumen zu finden sind. Im Nahblick der Mikrofotografie erscheinen die Formen und Farben dieser sehr vielfältigen Gebilde geradezu exotisch. Fremdartig sind die Flechten in der Tat: Es handelt sich bei diesen Jahrmillionen alten Lebensformen nicht etwa um Pflanzen, sondern um die Symbiose aus Algen und Pilzen. In Mitteleuropa sind gut 2000 verschiedene Flechtenarten bekannt. Drei der vier Fotografien, die Robles-Angel für ihre Installation ausgesucht hat, zeigen bildfüllend unterschiedliche Flechtenarten, die auf engstem Raum nebeneinander bestehen. Auf dem vierten Foto ist ein Stück Baumrinde in solch extremem Nahblick zu sehen, dass sie wie zerklüftetes Felsgestein aussieht, dazu ein Exemplar der Gemeinen Feuerwanze, erkennbar an der typischen Warnfärbung, die mit zwei schwarzen Kreisen und einem Dreieck auf rotem Grund an ein maskenhaft stilisiertes Gesicht erinnert.