BILDERGALERIE

Epiphythen und Phytohominiden

Einige verbergen sich, manche zeigen sich plötzlich und unerwartet, sie hängen in Bäumen, hoch oben, schaukeln im Wind wie seltsame Früchte oder sind zwischen ihnen (bis fast zum Zerreißen) ausgespannt. Sie umgeben, umschließen Äste, als wären sie über Nacht dort zur Sichtbarkeit, zu ihrer vollen Größe gereift. Sie finden sich verstreut, verteilt über den Park (wer sie alle suchen, sehen will, muss von einem Ende zum anderen der vier Gartenräume laufen), da und dort leuchten sie lockend, warnend Gelb, Orange (und diskreter in Reflexsilber) zwischen den Pflanzen – unauffällig sind diese Stücke, Objekte, Hinzufügungen, Körper nicht. Aber fremd, befremdlich, auch wenn sie aus Wohlvertrautem bestehen. Schläuche und Kunststoffröhren, Arbeitskleidung, Kappen sind die Rohstoffe, aus denen diese mysteriösen Undinge entstanden sind. Wie gewachsen erscheinen manche: die große leuchtend gelbe Frucht der Kappentraube und der sich wie ein Schmarozer um einen Ast herum wölbende rot und graue gezeichnete Spindelkörper aus dem heraus umsichgreifende Handschuhäste, -tentakel sprießen. Und es könnte sein, dass sich die röhrenförmige Wicklung selbst um den Baumstamm gelegt hat, sich dort von einem (mehreren?) beweglich-biegsamen Schlauchstück(en) durchdrungen dort hält als ein parasitierter Parasit. Von abwesenden, verschwundenen oder verwandelten, auch unvorstellbaren Körpern künden die ausgespannte und dadurch überlang gedehnte, an den Fußöffnungen siamesisch zusammengewachsene Gärtnerdoppelarbeitslatzhose und der aus prall-gedrungenem Sicherheitswestenleib und schlaffen, überlang baumelnden Handschuharmen bestehende Hängetorso. Diese beiden Fremdkörper – sie bestehen ganz aus der Kleidung von im Park Arbeitenden – erscheinen wie unverstehbare Zeichen, es könnte sich um Grenzmarkierungen handeln, wären sie Trophäen könnten es Droh- oder Triumphsignale sein oder sie dienen einem neuen Abwehrzauber.

Kathrin Rabenorts enigmatische fünfteilige Objektgruppe verweist durch ihren Titel Epiphyten und Phytohominiden auf eine einerseits reale Verbindung von Pflanzen mit anderen Pflanzen – Epiphythen sind Aufsitzerpflanzen, die auf anderen Pflanzen gedeihen –

und andererseits mit der Worterfindung Phytohominiden auf eine utopische, phantastische Synthese von Pflanze und Mensch; offen bleibt, welche der im Park angesiedelten Stücke Ephiphythen und welche Phythohominiden sind. Allen – sieht man vom Rohrschlauchobjekt ab – gemeinsam ist der metamorphotische Gebrauch von Kleidungsstücken. Durch die Umdeutung der Kleidung stellt sich eine direkte Verbindung zum Betrachter ein (ich könnte die Handschuhe überziehen), wird das einzelne Objekt über den bloßen Anblick hinaus auf geradezu leibliche Weise erfahren. Selbst wo diese Bekleidungen in pflanzenhafte, organische Gebilde transformiert worden sind, verlieren sie diesen unmittelbaren, unwillkürlich sich einstellenden Bezug zum menschlichen Körper nicht: Darüber hinaus suggerieren diese Körperhüllen (besonders intensiv die Handschuhe), es könnte das von ihnen normalerweise schützend Umschlossene tatsächlich in ihnen verborgen sein, was die latente Unheimlichkeit dieser Stücke erklärt, die durch reale und vorstellbare Bewegungen der Objekte, mithin eine leichte Andeutung von Lebendigkeit noch gesteigert wird.

Ein Park konnte, kann ein Gedankenspielplatz sein, ein Ort der Imaginationen, ein Areal der Verschränkungen von Historie, Mythologie und Natur, voller Anspielungen und Hinweise auf literarische Stoffe, Begebenheiten, Sagenhaftes. Ein solcher Park konnte durch seinen Skulpturenschmuck, seine Bauwerke zu einem ebenso hoch gelehrten wie auch inividualmythologisch aufgeladenen Außerhalb der Vernunft gedeihen, eine phantastische und befremdliche, beunruhigende Zonen sein wie der heute noch voller ungelöster Rätsel steckende manieristische Sacro Bosco des Vicino Orsini, auch bekannt als Park von Bomarzo. Für einen Tag – und in der Kürze, im plötzlichen Auftauchen und wieder Verschwinden liegt etwas Phantomhaftes – für einen Tag bringen Kathrin Rabenorts Epiphyten und Phytohominiden etwas vom Verwandlungszauber, den möglichen Geschichten (und dem nur in Geschichten Möglichen) in den Park zurück; Geschichten, Science Fiction möglicherweise, von kommenden Pflanzen, verschollenen Menschen, alltäglichen Dingen und ihrer Vermischung, Geschichten also, die es noch zu erzählen gilt.

Jens Peter Koerver

VITA

Vita

1965……………geboren in Hilchenbach – Dahlbruch

1990 – 1997Studium der Freien Kunst bei Prof. Urs Lüthi, Kunsthochschule Kassel

……………………Gasthörerschaften an der Kunstakademie Düsseldorf und der UDK Berlin

1998 – 1999Atelier- und Arbeitsstipendium Amsterdam

2000……………Master of Fine Arts Goldsmith College, London

……………………Lehre und künstlerische Mitarbeit an der Fachhochschule Düsseldorf und Universität zu Köln

……………………Hochschule für bildende Künste, Dresden

……………………lebt und arbeitet seit 2001 in Köln

Stipendien

 2012…………..Stipendium der Landes Sachsen Anhalt, Kunsthof Dahrenstedt

2009……………Projektförderung der Karin Abt Straubinger Stiftung

2009……………Projektförderung der Erwin und Gisela Steiner Stiftung

1999/2000…..einjähriges DAAD-Stipendium London

1998/1999…..einjähriges Atelierstipendium der Hessischen Kulturstiftung in Amsterdam

1997……………Förderstipendium der Otto-Braun-Stiftung, Melsungen

Auswahl von Einzelausstellungen und Projekten seit 2004

 2013……………Platzhirsch und Gesellschaftstier, Kreismuseum, Osterburg

2013……………Sport-Body-Move, artgalerie, Siegen

2012……………zwischenspiel, Ausstellung im Lutherturm, Köln

2011……………self-motoric, Sport & Olympia Museum, Köln

2010……………spin-off, IHK Gallerie, Siegen

2009……………sed vitae discimus, Moltkerei Werkstatt, Köln (K)

2009……………arthropoda, superbien, Berlin

2008……………backlands, Ausstellungsprojekt, Köln-London

2007……………Turminstallation, Luther-Kirche, Köln

2005……………horses on the hill, Kunstwerk, Köln

Auswahl von Gruppenausstellungen und Projekten seit 2010

 2013……………50, Jubiläum, IHK Galerie, Siegen (K)

2013……………summer in the suburbs, The Attic, Middlesex / GB

2012……………private property, Kunst Galerie Fürth

2012……………Skulpturenpark, Schlosspark Stammheim, Köln

2012……………Sport in der Kunst, Museum für moderne Kunst, Krakau (K)

2011……………Gast, Künstlerhaus Dortmund

2010……………Identität und Vielfalt, Projectspace Artcrossers Köln

(K = Katalog)

www.kathrinrabenort.de