BILDERGALERIE

Bitmap Baumhof

Hat da jemand „Billboard“ gesagt? Man könnte sich mit Blick auf das 200 mal 260 Zentimeter große, von grauen Metallstützen gehaltene Gebilde, das mitten im sogenannten Baumhof des Vorgebirgsparks steht, tatsächlich an eine Plakatwand erinnert fühlen. Der Unterschied besteht freilich darin, dass solche Werbetafeln üblicherweise am Straßenrand positioniert werden, um insbesondere die vorbeifahrenden Autofahrer auf gewisse Produkte, auf nahegelegene Supermärkte oder – in Wahlzeiten – auf politische Parteien aufmerksam zu machen. Doch das „Billboard“, das die Kölner Künstlerin Margit Schmidt als Beitrag zur Vorgebirgspark Skulptur 2022 geschaffen hat, steht mitten auf dem Gehweg, blockiert ihn in ganzer Breite und mit ihm die Sichtachse, der die Parkteile Immergrüner Garten, Baumhof und Rosengarten miteinander verbindet. Falls diese Tafel für irgendetwas wirbt, dann allenfalls dafür, von den Parkbesuchern aufmerksam betrachtet zu werden.

Technisch gesprochen handelt es sich bei der Arbeit um einen großen Druckstock für Holzschnitte. Margit Schmidt ist Grafikerin und arbeitet bevorzugt mit großformatigen Holz- und Linolschnitten. Bei „Bitmap Baumhof“ handelt es sich um ihr erstes Kunstwerk im öffentlichen Raum. Wenn ein Druckstock dieses Ausmaßes, der ja selbst schon Bildqualität aufweist, nicht an die Wand eines Ausstellungsraums gehängt, sondern im Freien positioniert wird, verwandelt er sich unweigerlich in ein Objekt, das im Betrachten aus verschiedenen Positionen, erst recht im Umschreiten, als „Skulptur“ im weitesten Sinne wahrgenommen werden kann. Wenn man um die Arbeit herumgeht, macht man dann auch die überraschende Entdeckung, dass sie auf beiden Seiten bearbeitet ist. Es gibt also keine Vorder- und Rückseite, sondern zwei gleichberechtigte Ansichten, die unmittelbar zu einem Vergleich herausfordern. Dabei stellt man fest, dass jene Seite, die man auf dem Weg in Richtung Rosengarten zu sehen bekommt, viel mehr und feinere schwarze Linien aufweist als ihr Pendant. Bald wird man auch bemerken, dass man es auf beiden Seiten mit verfremdeten, stark abstrahierten gegenständlichen Bildern zu tun hat – Darstellungen, auf denen genau das zu sehen ist, was sie im Realraum verstellen, nämlich einen Teil des Baumhofs selbst mit seinen Lindenbäumen und Buchenhecken. Erstaunlicherweise erkennt man dies gerade aus größerer Entfernung (oder aber aus kurzer Distanz auf dem Handy-Display – die digitalen Kameras „sehen“ anders) sehr gut. Tritt man näher an das Tableau heran, sind nur noch unregelmäßige,

senkrecht verlaufende, schwarz-weiße Linienstrukturen auf einem weiß umrandeten Feld zu sehen, die an die Lamellen einer Jalousie denken lassen.

Der aufmerksamen Betrachtung wird nicht entgehen, dass sich die abstrahierten Ansichten des Parks von der Realität unterscheiden. Auf der etwas gröber strukturierten Tafelseite sind zum Beispiel die Bäume unbelaubt. Margit Schmidt hat als Vorlagen für die Erstellung ihrer Bildansichten Fotografien verwendet, die sie zu unterschiedlichen Jahreszeiten im Park aufgenommen hat: eine im Winter, eine im Frühjahr.

Zur Zeit der Ausstellung, Mitte September 2022, hat sich das Erscheinungsbild der Umgebung merklich verändert. So wird also, abgesehen von dem großenThema des Zusammenhangs von Kunst und Natur, Zeit zu einem wichtigen Parameter dieser Arbeit.

Zum einen eben wegen der Überlagerung der verschiedenen Zeitschichten von Bildmotiven und realem Park, zum anderen aber auch aufgrund der Betrachtungszeit, die man aufwenden muss, um diese Arbeit vollständig zu erfassen. Das diffuse Erscheinungsbild, das die beiden Ansichten aus der Ferne bieten, klärt sich ab einem bestimmten Punkt der Annäherung zu lesbaren Darstellungen, um dann wieder beim Näherkommen zunehmend undeutlich oder „abstrakt“ zu werden. Aus kurzer Distanz erkennt man, dass die schwarzen „Linien“ alles andere als linear sind. Es sind die mit Ölfarbe geschwärzten druckfähigen Teile der Oberflächen von vier zu einer Tafel zusammengefassten Holzplatten. Die vertieften, nicht druckenden, hellen Flächen erweisen sich als farblich differenziert, da die Eigenfarbe des Holzes partiell mit weißer Anstrichfarbe akzentuiert wurde.

Es gibt noch eine dritte Ebene der Artikulation von Zeit in Schmidts Arbeit. Man könnte sie die „medienhistorische“ Ebene nennen. Der Titel „Bitmap Baumhof“ deutet schon an, dass die Bildmotive mit Hilfe des Computers entwickelt wurden. Bitmap ist eine andere Bezeichnung für Rastergrafik, laut Wikipedia „eine Form der Beschreibung eines Bildes in Form von computerlesbaren Daten. Rastergrafiken bestehen aus einer rasterförmigen Anordnung sogenannter Pixel, denen jeweils eine Farbe zugeordnet ist.“ Nachdem sie die Fotografien des Parks einer digitalen Rasterung unterzog, hat die Künstlerin die so entstandenen Formen auf die Holzplatten übertragen und von Hand – ganz analog – herausgeschnitten. Digitale Technologie einerseits, jahrhundertealte druckgrafische Technik – zur Zeit der Renaissance ein Massenmedium – andererseits. Mit „Bitmap Baumhof“ kann man als Betrachter viel Zeit verbringen, um wiederum „Zeit“ als künstlerisch gestaltete Thematik zu erfahren.

– Peter Lodermeyer –

VITA

Margit Schmidt

1960             geboren in Siegen, lebt und arbeitet in Köln

1980 – 1986 Studium und Staatsexamen in den Fächern Kunst und Deutsch

1986 – 1991 Studium Freie Grafik an der Fachhochschule Köln

seit 2000      Lehrende für künstlerische Praxis (Schwerpunkt Grafik) an der Universität zu Köln

Einzelausstellungen (Auswahl)

2022             in Planung: Kunstverein Heidenheim

2021             Regensburg, Neuer Kunstverein

2019             Köln, Moltkerei Werkstatt, Cut Down

2011             Altena, Städtische Galerie, Twisted Lights

2009             Brühl, Kunstverein, Neue Linol- und Holzschnitte

2008             Köln, Galerie 11, Hochdruck

2007             Siegen, IHK-Galerie

2006             Attendorn, Kunstverein

Menden, Kunstverein Mendener Bauhütte

1997             Erftstadt, Kunstverein, Grafische Arbeiten

1995             Gummersbach, Kunstforum, Serigraphien

Olpe, Kunstverein Südsauerland

1994             Soest, Kunstmuseum Wilhelm-Morgner-Haus, Tiefdruck und Siebdruck

1988             Siegen Kunstverein | Galerie S (mit Barbara Räderscheidt)

Gruppenausstellungen (Auswahl)

2013             Bietigheim-Bissingen, Städtische Galerie, Linolschnitt heute IX

2013             Siegen, Künstler der IHK-Galerie

2011             Leipzig, Projektgalerie BDK, Ereignis Druckgrafik 3

2010             Bietigheim-Bissingen, Städtische Galerie, Linolschnitt heute VIII

1997             Bonn, Rheinisches Landesmuseum | AWO, Grafik der Gegenwart

1995             Münster, Westfälisches Landesmuseum, Jahresgaben Aldegrever Gesellschaft

1994             Köln, Galerie ON, Goethe, Schiller und ihr Kreis

1993             Heiligenstadt, Literaturmuseum, Künstlerbund

Siegen, Kunstverein | Villa Waldrich, Jung und Schön

1992             Siegen, Kunstverein | Informationsring, Hommage an Peter Paul Rubens

Attendorn, Galerie Hoffmann, Künstler der Galerie

1991             Arnsberg, Sauerlandmuseum, Künstlerbund