BILDERGALERIE

Das liegende Bild

Der „Rosengarten“ im Kölner Vorgebirgspark hat ein von breiten Steinplatten gerahmtes Wasserbassin zum Namen gebenden Zentrum. Wasserrosen schwimmen darauf. Das Becken und sein Ambiente inspirierten Nora Schattauer, es in ein „Liegendes Bild“ zu verwan¬deln. Werden doch ruhende Gewässer zuweilen als Spiegel der Natur bezeichnet, ähnlich, wie man vom Auge als Spiegel der Seele spricht. Eben, weil die Kölner Künstlerin ein offenes Auge für die Schönheiten und die verborgenen Phänomene der Natur hat, nahm sie die gebotene Gelegenheit wahr, die Gestaltungsgesetze ihrer spezifischen Malerei auf Papier im Park ins wahrhaft Monumentale zu übertragen. Die atmosphärisch reflektierende Wasseroberfläche wird zum Bildträger, das darunter ruhende Wasser zum elementaren Malmaterial.
Lichtdurchlässige Häute, etwa solche aus Latex, stehen am Anfang von Nora Schattauers künstlerischem Schaffen, das in den letzten Jahren von einer intensiven Beschäftigung mit biochemischen Malprozessen auf speziellen Bildträgern geprägt ist. Feine und natürliche Strukturen von zarter Transparenz und imaginärer Tiefe werden dabei erzielt. Wenn etwa Ammoniumsulphat, Kieselerde oder andere Salze (es darf aber auch Kaffee sein) in fein dosierten Tropfen mit speziellen Industriepapieren reagieren, die sich durch eine saugfähige Kapillarstruktur auszeichnen, dann treten die ausgewählten Materialien in einen selbständigen, zerfließenden und strukturierenden Malprozeß ein, den die Künstlerin mit sensibler Pinselführung nur lenken und gelegentlich stoppen muss. Die Materialien sollen aus ihrer Anonymität hervortreten und ihre volle ästhetische Stärke zur Geltung bringen. Mittels der ihnen immanenten Selbstbildungskraft erzeugen sie aspektreiche natürliche Metamorphosen.
Während die auf einem Blatt Spezialpapier ausgelösten biochemischen Malabläufe bald erstarren, bleibt das im Bassin „liegende Bild“ hingegen in dauerhafter Bewegung, weil eine elektrische Pumpe durch einen Trichter ständig das Wasser des Beckens ansaugt und es über ein langes Rohr an drei Stellen wieder an die Wasseroberfläche sprudeln oder springen lässt. Die kleinen Fontänen fallen auf den feuchten Bildträger nieder und bewirken bekanntlich sich ausbreitende Wellenringe, die sich überkreuzende Strukturen bewirken, schnell wieder vergehen und von den nachfolgenden ersetzt werden.

Eine Metapher für den Rhythmus der Existenz und der Zeit mag man in diesen flüchtigen kinetischen Gebilden erkennen, denen mancher schon sinnend nachgeschaut hat. Die weichen Wasserringe sind vergleichbar mit jenen kristallinen Strukturen, den Kuben, Prismen und Sternformen, wie sie sich im mikroskopischen Kosmos der zartfarbigen Malerei Schattauers in teilweiser trompe-l’oeil-artiger Plastizität und ebenso in der makrokosmischen Umwelt zu erkennen geben. Auch das reagierende Ausblühen und Auseinandertreiben der getropften Malsalze auf den Spezialpapieren ist den auseinander schwingenden Wellenkreisen phänomenal verwandt Die Natur wiederholt sich bekanntlich im Großen und im Kleinen.
Das kreative Naturgesetz von Ursache und Wirkung spiegelt sich nicht nur in Nora Schattauers Papierarbeiten, sondern ebenso in ihrem gigantischen Aquarell, das sich pumpend im Rosengarten malt. Die Farbe dazu liefert die Reflexion der Umwelt. Des Menschen Hang zur Illusion lässt ihn solche Phänomene in der Natur bewundern. Jedoch ermöglicht ihm erst die Erforschung ihrer Ursachen, hinter deren ästhetische Erscheinung zu blicken, ehrfürchtig zu werden und komplexer zu verstehen. In diesem Sinne sind Nora Schattauers malerische Werke von einem alchimistischen Streben nach Erkenntnis durchdrungen. Dieses ist aber nicht von der Suche nach dem „Stein des Weisen“ und der Sucht nach magischer Goldproduktion getrieben. Dennoch wohnt ansatzweise eine Art von wundersamem künstlerischem „perpetuum mobile“ ihren Arbeiten inne. Insbesondere wenn (übersehen wir einmal den Katalysator Elektropumpe) ein Kunstwerk entsteht, das ein „water dripping“ auslöst und sich im strömungsartigen Kreislauf allein aus ein und derselben Wasserquelle speist. Nora Schattauers kinetische Wasserkunst bleibt ganz in ihrem Element und erlischt erst – vergleichbar dem Bild eines Fernsehers -wenn man es ausschaltet. Rahmen und Bildträger bleiben im Park zurück. Mitzunehmen ist nur die anregende Erinnerung, sich solche „liegenden Bilder“ auch an anderen Orten vorzustellen und anzusehen.

Gerhard Kolberg

VITA

Vita

1952—————–in Duisburg geboren

1970-77————-Universität Köln, Soziologie-Studium, journalistische Tätigkeit

1991-97————-Studium an der Kunstakademie Münster bei Joachim Bandau, Meisterschülerin, Akademiebrief

1991-97————-lebt und arbeitet in Köln

Einzelausstellungen (Auswahl)

2004—————–Kunstverein Cuxhaven, „Wie gemalt“ (K)

———————–Kunstraum Chelsea Two, Köln

2003—————–Galerie Lausberg, Düsseldorf, „Ausblühungen“

2002—————–Maly: Service Culturel und Edition Köln, „Bildlabor“

———————-Galerie Klein, Bad Münstereifel, „Mäandern“

———————–Museum der Natur, Stadt Gotha, „Ähnlichkeiten sehen“

2000—————-Galerie Klein, Bad Münstereifel, „Salts“ (K)

—————- ——Galerie Schlick, Düsseldorf, „Kautschuk“

1998—————-Museum Schloß Morsbroich, Studiogalerie, Leverkusen, „Prima Materia“ (K)

Installationen

1997—————–Kirche Herz Jesu, Installation Köln (K)

1996—————–Hochbunker, Körnerstraße Köln

1995—————–Neptun-Bad, Neptunplatz Köln

Gruppenausstellungen (Auswahl)

2003—————–Kunstverein Mönchengladbach

2003—————-Galerie Lausberg, Düsseldorf, „Preview“

2001—————–Staatl. Galerie Moritzburg, Halle, „Licht und Dunkel“ (Novalis) (K)

———————-Nassauischer Kunstverein, Wiesbaden, „Perspektiven des Langsamen“ (K)

———————-Galerie Klein, Bad Münstereifel, „Erotik“

1998—————-Ursula-Blickle-Stiftung, Kraichtal, „Malerei jenseits der Malerei“ (K)

———————-Köln Kunst 5 (K)

1997—————–Galerie Klein, Bad Münstereifel, „Neues von…“  (mit K.v.Hoffs, R. Brand)

Publikationen

„ca-hu-chu“, Künstlerbuch Nr. 22 der edition separee, Salon Verlag Köln 1998

„Prima Materia“, Buch zur Ausstellung im Museum Schloß Morsbroich. Salon Verlag Köln 1998

„Salts“, Künstlerbuch mit einem Essay von Gerard A. Goodrow (dt/engl.), Nazraeli Press USA 2000

„Licht und Dunkel“, Zum 200. Todestag von Novalis. Staatliche Galerie Moritzburg, Halle/Saale 2001

„Perspektiven des Langsamen“, Nassauischer Kunstverein, Wiesbaden 2001

„Bildlabor“, Künstlerbuch, Hrsg. Erhard Klein. Salon Verlag, Köln 2002

„Ähnlichkeiten sehen“, Künstlerbuch, Hrsg. Museum der Natur, Gotha 2003. Modo-Verlag Freiburg

Kölner Skizzen 1/2003

„Choices“, Februar 2004. Künstlerporträt Nora Schattauer. Text von Thomas Hirsch

„Ausblühungen“, Ausstellung im Kunstverein Cuxhaven. Vice Versa Verlag Berlin 2004

Adresse

Geisselstraße 51

50823 Köln