BILDGALERIE

"Yellow Boards"

Man kann die Arbeit, die der Kölner Künstler Stefan Bücher im Baumhof des Vorgebirgsparks realisiert hat, mit einigem Recht als eine multisensorielle Installation bezeichnen. Sie spricht verschiedenste Sinne an, indem sie den Parkbesuchern etwas zu sehen, zu hören, zu spüren und zu tun gibt; sie ist nicht nur interaktiv oder partizipatorisch, sie hat auch eine soziale Komponente, insofern sie den Besuchern die Möglichkeit konzertierter Aktionen bietet.

Das erste, was man von Büchers Arbeit mit dem Titel „Yellow Boards“ wahrnimmt, sobald man den Baumhof betritt, sind die scheinbar schwebenden metallenen „Segel“ aus Aluminium beziehungsweise Edelstahl, die sich im Wind bewegen und mit ihren teils matten, teils glänzenden Oberflächen die Umgebung reflektieren und gelegentlich im Licht aufblitzen. Einzelne Partien der unterschiedlich gebogenen und gefalteten Metallflächen sind mit blauer Acrylfarbe oder mit orangefarbenem Klebeband farbig akzentuiert, zeigen also Kontrastfarben zu der überwiegend grünen und gelbbräunlichen Umgebung des Parks.

Je näher man an die etwa zwischen Hüft- und Kopfhöhe befindlichen Metallobjekte herantritt, desto deutlicher vernimmt man einen mehrstimmigen Klang, ein schwer zu identifizierendes, metallisches Surren, das man leicht für einen elektronisch erzeugten Sound halten könnte. Spätestens bei der Suche nach der Klangquelle fallen einem dann die Holzbretter auf, die mit einem Ende den Boden berühren, am anderen von Stahlseilen etwa eine Handbreit in die Höhe gehoben werden. Die Seile, an denen auch die erwähnten Metallbleche hängen, sind – sorgfältig abgepolstert, damit die Rinde nicht verletzt wird – am oberen Ende an den Ästen dreier großgewachsener Linden befestigt, die den Baumhof im Karree umstehen. Bei den acht Brettern – den im Titel genannten „yellow boards“

– handelt es sich um Schalungsbretter, wie man sie im Baugewerbe verwendet. Stefan Bücher hat die typische grellgelbe Farbe der Bretter mit einer Lasur zu einem grünlichen, zur Parkumgebung passenden Ton abgedämpft. Der ursprüngliche Farbton ist nur in Form eines nach vorn weisenden Linienpfeils erhalten geblieben, der die Aufmerksamkeit des Betrachters auf die leicht angehobene Brett-Enden lenkt. Dort befindet sich jeweils ein kleiner batteriegetriebener Ventilator, ebenfalls in Gelb, der mit seinen Blättern leicht an jeweils zwei Gitarrensaiten anschlägt, die mit den Metallsegeln verbunden sind. Der sirrende, metallische Klang hat hier also seinen Ursprung, die Metallsegel dienen ihm als Resonanzkörper und Klangverstärker.

Betrachtet man das Ensemble aus acht strukturell gleich aufgebauten Komponenten, so fällt als wichtigstes kompositorisches Element die Vertikalspannung auf, die in den Stahlseilen anschaulich wird. Über sie wird die Bodenzone mit der Höhenregion der Baumäste verbunden. Das Ganze bildet ein offenes
System, auf das von außen eingewirkt werden kann, wobei sich diese Einwirkung in einer Veränderung der erzeugten Töne niederschlägt. Eine natürliche Außeneinwirkung ist zum Beispiel durch den Wind gegeben. Wenn sich die Äste leicht im Wind bewegen, ebenso (und in weit höherem Maße) die Metallsegel, bleiben die erzeugten Klänge nie völlig konstant, sondern sind ständig einer gewissen Schwankung in Tonhöhe und Lautstärke unterworfen.

Doch mit dem Betrachten der Installation und dem Lauschen auf den Sound ist es ja längst nicht getan: Die gelben Pfeile auf den Schalungsbrettern fordern die Besucher nachdrücklich zum Betreten auf. Wenn man diesem Appell nachkommt, ändert sich der jeweilige Klang erheblich, da Seil und Gitarrensaiten sogleich unter höherer Spannung stehen. Sobald man diesen Mechanismus bemerkt hat, wird man damit beginnen, den Effekt bewusst zu steuern, auf dem Brett weiter nach vorn oder zurück zu gehen und den Ton dadurch zu manipulieren, dass man sein Körpergewicht unterschiedlich verlagert. Indem man durch Körpereinsatz mit der Installation in Dialog tritt, wird diese zu einer Erfahrungsskulptur, die man nicht allein hörend und sehend erfasst, sondern sich körperlich erschließt und zu „spielen“ lernt wie ein Musikinstrument. In den Worten des Künstlers: „Die leichten Schwingungen des Baumes, die Flexibilität des Holzes und auch der eigene Körper und dessen Position im Raum gelangen in den Fokus der eigenen Aufmerksamkeit. Die Saite und das Seil, die Geäst und Boden, Holz und Metall, Umgebung und Mensch verbinden, können, einem Instrument gleich, zum Klingen gebracht werden.“ Doch damit nicht genug, bietet die achtteilige Arbeit den Parkbesuchern die Möglichkeit, sich zusammenzutun, beim Variieren der Töne aufeinander zu reagieren, sich – im wörtlichen Sinne – abzustimmen und, gemeinsam „musizierend“ nach harmonischen (oder disharmonischen) Klangmischungen zu suchen. So kommt dann, zumindest potenziell, ein in dem Kunstwerk angelegter sozialer Aspekt ins Spiel.

– Peter Lodermeyer –

VITA

Stefan Bücher
1975           geboren in Köln
2002          Staatsexamen: Bildende Kunst, Prof. Michel Sauer, Universität Siegen

Ausstellungen
2019           Skulpturenpark Schlosspark Stammheim, Köln (Katalog)
2018           Skulpturenpark Schlosspark Stammheim, Köln (Katalog)
2017           pull down-break off, Gruppenausstellung, Gebäudel, Köln (Katalog)
2017           Strichstärke, Gruppenausstellung, Petersburger, Köln
2017           kommen sie nach hause 17, Gruppenausstellung, Köln
2005           Moldau-Stipendium – Hessisches Ministerium für Wissenschaft und Kunst
2017           Raum-Parameter, Moltkerei, Köln
2014           Auszeichnung mit dem ersten Platz für die Installation „Ludens“ im Skulpturenpark Schloßpark Stammheim, Köln (Katalog)
2012           A-Gang, Gast im Atelier Widerborst, Ausstellung und Klangperformance zu Zeichnungen von Gesa Eversmeyer, Krefeld
2012           Kunst in Abrissekstase, Gruppenausstellung, Erftstadt
2010           Rheinpfeifen, Klanginstallation am Rheinufer Poll und Deutz
2002           Rundgang (GA), Altes Brauhaus, Siegen
2001           Pelgatters Perspektive, Künstlerbuchprojekte, Universität Siegen, Katalog
2000           Rundgang (GA), Altes Brauhaus, Siegen
1999           Arbeiten unterwegs, Gruppenausstellung, Universität Siegen (Katalog)