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Vier Kaiser, l-IV-plastics

 Im so genannten Staudengarten des Köln-Raderthaler Vorgebirgspark stehen vier verwaiste und verwitterte Postamente, die unsere Gedanken zu Fragen und Vorstellungen anregen: Welche Skulpturen mögen sie einst getragen haben? Künstler hingegen sehen in diesen steinernen Kuben eher eine gestalterische Herausforderung durch ihre Form, oder sie interpretieren, ironisieren oder persiflieren die klassische Funktion eines Sockels. Auch der in Düsseldorf lebende Sery C. ließ sich von diesen leeren Steinbasen dazu anregen, ihnen – gemäß seiner charakteristischen Gestaltungsweise – für einen Tag den Schein ihres Sinns zurückzugeben. Dieses Paradoxon schafft Sery C. folgendermaßen: Mit gefärbtem Kautschuk >bemalt< der Künstler in mehreren Schichten die vier Steinsockel und lässt die verstreichbare Gummipaste antrocknen. Die aufgemalte Folie, die elastische Rinde, auf der sich alle Charakteristika der Sockeloberflächen durch­drücken, zieht er sodann die farbige Kautschukschicht von den plastischen Formen ab, entkleidet er die bemalten Gegenstände gewissermaßen, >häutet< er sie. Der Künstler übt seine besondere Malerei mit Industriegummi bevorzugt an charakteristischen Orten oder Gegenständen aus: in Treppenhäusern, Liftkabinen, an Säulen – oder an der von Sanitärbecken verschiedenster Funktion skulptural gegliederten Wand der Herrentoilette im Kunstmuseum Bonn (1995).

Sehen wir eine mit Objekten bestückte und strukturierte Wand vom Raum aus ohnehin als bildähnliche Erscheinung von etwas voluminös dahinter Vermutetem, gewissermaßen als dessen >Haut<, so verstärkt die einfarbi­ge Bemalung diese, visuell an der Oberfläche endende Wahrnehmungsweise noch. Zieht Sery C. die monochrome Gummimalerei später von ihrem plastischen Bildträger ab, ähnlich, wie Restauratoren von alten Kirchenwänden zu konservierende Fresken ablösen, dann erhält er ein reliefartiges Abziehbild der tektonischen Urform, das aber, nun seines festen >Bildträgers< verlustig, weich und faltig einen >Verfall des Geometrischem (Sery C.) vollzieht und eine neue plastische Qualität annimmt, die das Abbildhafte ironisch in Frage stellt und die Imagination des Betrachters aktiviert. Manch einer mag jetzt an die abgezogene Haut des Bartholomäus in der Sixtinischen Kapelle denken, ein Selbstporträt Michelangelos.

 Als Endpräsentation hängt Sery C. seine >Häutungen< als ein wenig stabilisierte >Bilder< bzw. bildhafte >Objekte< an die Wand oder stellt sie am Boden liegend aus. Ob seine Kunstwerke mehr als Malerei oder als Skulpturen zu betrachten sind, hat der Künstler nicht festgelegt und ist zudem eine Frage der subjektiven räumlichen Wahrnehmung. Zumal diesen vom Zufall drapierten Farbhäuten stets das Plastische ihrer Urform sowie das räumliche Ambiente ihres ursprünglichen Ortes immanent bleibt. Ersteres wirkt von der Hinterseite der Kautschukhaut her und zweiteres von vorne, denn die flächige Malerei grenzt unmittelbar an den Raum, so die Beobachtung des Künstlers.

 Nachdem Sery C. die farbigen Gummihäute von den Sockeln des Stau­dengartens abgezogen hat, zieht er sie diesen, jedoch nur bis zur Hälfte, wieder über. Vorbild und Abbild bleiben kontrastierend sichtbar. Hart und Weich, Tektonik und Instabilität, Potenz und Impotenz korrespondieren miteinander, was Empfindungen auslöst, mancherlei Assoziationen anregt, und möglicherweise auch Symbolisches birgt. Sind die unteren Hüllenhälften von den kubischen Sockelformen ausgefüllt, so falten und neigen sie sich in ihrer oberen Leere derart, als schmölzen sie dahin wie rote, rosa, hellblaue oder grüne Eiskreme, als wäre ihnen das Luftvolumen ausgegangen. So gesehen sind sie, wenngleich neueren Ursprungs als ihre plastischen Vorbilder – schon wieder ein Paradoxon – auch Sinnbilder einer verlorenen Existenz.

 Gewissermaßen gerät der dünnhäutige >Geist< bzw. das Phantom des Sockels hier zur Parodie und zur Parade seiner ursprünglichen Funktion. Sehnsüchtig möchte er Träger und Skulptur in einem sein. Auch der Künstler sieht seine fertig gestellten Werke assoziativ, und so fallen ihm deren Titel erst nachträglich ein. Was auch auf seine Arbeit im Vorgebirgspark zutrifft, die er ironisch Vier Kaiser-plastics nannte. Sind es etwa die vier auf hohen Postamenten reitenden Hohenzollern-Figuren (3 Kaiser, ein König) an der gleichnamigen Kölner Eisenbahnbrücke, die Sery C. inspirierten, nachdem diese uns beide von der Cafeteria des Museum Ludwig aus zu historischen Gedankenreisen über deutsch österreichische Monarchen angeregt hatten? Welcher dieser stolzen >Bronzekaiser< wäre wohl mit welcher faltigen Sockelplastik im Staudengarten assoziativ zu vergleichen? Sery C. spezifische Kunst macht wieder einmal bewusst, dass die physische Verwandlung eines Gegenstandes stets die Abstraktion in sich birgt und letztere wiederum die Assoziation, die ein Produkt unserer Erinnerung ist. Letztendlich erkennen wir zunächst das, was wir sehen wollen: Es ist das uns Bekannte.

 Gerhard Kolberg

Vita

 Lebt und arbeitet in Dresden.

 Einzelausstellungen (Auswahl bis 2002 )

 1985———-Kon Go Manie, Galerie Kleinsimlinghaus, Düsseldorf (K)

 1985———-Östereichische Kunst der Gegenwart Nr. V, Wolfgang Gurlitt;

 —————-Museum/ Neue Galerie der Stadt Linz (K)

 1985———-Studio Ewig, Galerie Kleinsimlinghaus, Düsseldorf; Fläche sucht

 —————-Raum, Galerie Zeitkunst, Innsbruck; Hierarchie der Bilder, Galerie

 —————-Decalage, Mailand (K); Keine Komposition im Lager Nr. I, Galerie Ariadne, Wien,

 1985———-Keine Komposition im Lager Nr. II, Galerie Offermann, Köln;

 —————-Kunstmuseum Düsseldorf/Forum Bilkerstraße (mit Liz Bachhuber)

1985———-Ing. Schaub-Raum, Galerie 86, Trier;

 —————-Der erweiterte Ing. Schaub-Raum, Offermann Galerie, Köln

 1985———-Red Saloon and Revolving Doors, 0 Ö. Landesmuseum, Francisco; Carolinum, Österreich (K);

 —————-Red Saloon and Revolving Doors, Kunstmuseum Thun, Schweiz; (K. Wanderausst.);

                   Die Unerbittlichkeit der Räume, Hallen für Kunst, Freiburg

 1985———Zunge zu Zunge, You Know, Stadt. Galerie im; Lenbachhaus/Kunstforum, München (K)

 1985———Kongress der Räume – Carta Bianca IV, Museo dfArte Contemporanea; Luigi Pecci Prato, Italien (K);

 ———-  —-Kunstfond Bonn

 1985———-Blauer Gigant, Musee Curtius, Liege, Belgien,(K);

 —————-Open Gate, Kunstraum Wuppertal (K);

 1985——— Bonjour Salon, Ladies & Gentlemen, Portikus, Frankfurt/M.;

 —————-Vertical-Angel, Kunstverein Freiburg Schwarzes Kloster (K);

 —————-Vertikaler-Winkel, Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen, Düsseldorf

  1985———-Sekante Gläserner Appendix, Wewerka-Pavillon Münster;

 —————-Headquarters Paintings, Städtische Ausstellungshalle am Hawerkamp, Münster (K);

  —————-An die Museumsleitung (Brief No. 1, N0.2), De Paviljoens, Almere, Niederlande;

 —————-An die Museumsleitung (Brief Nr. 1), Städtisches Kunstmuseum Bonn

 1985———-Kölner Bilder Lock up!, Kölnischer Kunstverein, Köln (K);

 —————-An die Museumsleitung; Stifterhaus O.Ö. Landesmuseum (K);

 —————-Hering-Raum, Bonn; Bonjour Monsieur No. V, Städtisches Kunstmuseum Bonn (K);

  —————-An die Museumsleitung, Neue Galerie am Landesmuseum Joanneum, Graz

  1985———-An die Museumsleitung Städtisches Kunstmuseum Bonn (K);

 —————-Julius in Pink, Rheinisches Landesmuseum Bonn; seiner Selbst-Porträt, Bonner Kunstverein;

  —————-Nackte dicke Bilder, flache Skulpturen, ID-Galerie Düsseldorf

 1998———-Blendwerke, Städtische Galerie Gladbeck;

 —————-Silk-Nitro, Hering Raum Bonn

 1998———-Hüllen fallen-Säulen stehen, Kunstverein Ulm (K);

 —————-Berliner G’schichten, Galerie Stüber Berlin (K)

 1998———-Himmelschwere (die farbehatmich), Kunstverein Ruhr, Essen (K)

 1998———-Bad Girls and Rubber, Van Bommel van Dam Museum Venlo (mit Martina Jess) (K);

  —————-ermalte Architektur, paintings I V, Arp Museum Rolandseck;

 —————-captured wall, Galerie Krips, Köln 2x

 1998———captured Space, Galerie Salvador Diaz Madrid, Spanien

 Adresse

 Professor Christian Sery

 Hochschule für Bildende Künste

 Brühlsche Terrasse 1

 01067 Dresden

 

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