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Wildwechsel

 Wege entstehen, wo gegangen wird. Sie zeichnen sich am Boden als Spur ab. Folgen dieser Spur andere, wieder und wieder, werden diese Spuren dichter, wird es ein Pfad, schließlich ein Weg, der sich immer deutlicher von seiner Umgebung unterscheidet; erst von Nichtwegflächen umgeben ist der Weg als Weg kenntlich. Ein Weg ist eine Verlaufsform, eine von selbst entstehende, an Bedürfnissen und Notwendigkeiten orientierte Zeichnung des Geländes. Gehend folgen wir dieser Zeichnung, oft unaufmerksam, wir vertrauen den Wegen, die wir zu kennen meinen; jeder Gang bestätigt sie als brauchbar und richtig.

 Ein Wegewerk ist Stefanie Oelkes Arbeit Wildwechsel, ein diskreter Eingriff in Gewohnheiten aufgrund der Beobachtung, der Untersuchung eben dieser Gewohnheiten und doch ganz auf diese zugeschnitten. Stefanie Oelkes Arbeit ist unauffällig, sie liegt am Weg. Sie verwendet Materialien und Strukturen, die dem Park eigen sind. Die ihr wesentlichen Formen haben sich dort gefunden, die Besucher des Parks haben sie (unwissentlich) mit geschaffen, die Künstlerin hat sie an Ort und Stelle sichtbar gemacht.

 Schauplatz der Arbeit ist das namenlose Areal zwischen Staudengarten und Rosengarten des Vorgebirgparks. Ein formal strenger, von acht beschnittenen, in zwei Reihen gesetzten Linden bestimmter Bereich. Trotz einiger Bänke und der attraktiven Aussicht auf das Bassin und die angrenzenden Rabatten ist dieser Gartenteil vor allem ein Durchgangsareal, was sich Wildwechsel zu Nutze macht. Stefanie Oelke hat hier ein unregelmäßiges, die Ordnung der Anlage teilweise konterkarierendes Wegenetz installiert, indem sie auf dem sonst nur spärlich bewachsenen Boden akkurat begrenzte Rollrasenflächen ausgelegt hat, zwischen denen nun deutliche Wege verlaufen. Diese neuen Wege unter den Linden entsprechen der Gewohnheit der meisten Parkgänger, sie verbinden alle Zu- und Durchgänge, sind pragmatisch und kurz, nicht an idealen Strukturen orientiert. Regelmäßigen Parkbesuchern wird dieser Eingriff vermutlich schnell auffallen, anderen wird die Struktur aus Wegen und Wiese selbstverständlich vorkommen, lediglich die Frische des Rasengrüns hier wird sich vom matteren, sommertrockenen Farbton der umliegenden Wiesen abheben.

Stefanie Oelke hat sich in ihren Installationen immer wieder mit gefundenen, gewissermaßen von selbst entstehenden Formen beschäftigt. Auch Wildwechsel ging ein Prozess der Analyse, der Spurensicherung voraus. Ausgehend von Überlegungen zum Wegenetz des Vorgebirgsparks richtete die Künstlerin ihr Augenmerk auf die tatsächlichen Bewegungen der Besucher innerhalb des viele Wegeoptionen bietenden Areals. Daraus erwuchs die Idee, diesen alltäglichen, also unbemerkt bleibenden Parkraumgebrauch festzuhalten. Mehrmals harkte die Künstlerin die Bodenflächen dieses Bereichs, wodurch sich die Spuren der Fußgänger und Radfahrer vergleichsweise markant abzeichneten und die tatsächlich dort genommenen Wege nachvollziehbarwurden. Aus den zeichnerischen und fotografischen Protokollen dieser Spurenlese entwickelte sie den Verlauf des Wildwechsel-Wegeplans. Dabei handelt es sich um eine auch subjektive Entscheidungen erlaubende Interpretation der (zufälligen) Spuren, die sich während willkürlich festgesetzter Zeiten (während eines Tages, eines Wochenendes) ergaben. Breite und Form der Wege für einen Tag reagieren auf beobachtete Nutzungshäufigkeiten und typische Verläufe, aber auch besonders auffallende Spuren, wie sie etwa spielende Kinder hinterlassen, wurden berücksichtigt. So entstand ein begehbares Bodenbild, ein Versuchsfeld mit gefundenen Formen, eine vorübergehende Ortverfremdung, die vertraut macht mit eigenen Gewohnheiten, sie in geordnete, rasengesäumte Bahnen lenkt.

 Angelegte Wege sind Vermutungen, Spekulationen über zu erwartende Gänge, sie sind Vorwegnahmen, sie kommen dem Gehenden zuvor. Manche sind zuvorkommend, manche nicht. Manche Wege verführen, andere führen bloß, sie wollen lenken und zwingen. Gehend entscheiden wir uns für oder gegen sie, folgen ihrer Vorgabe oder weichen ab, finden gehend Abwege, Nebenwege. All das ist in Wildwechsel aufgehoben.

 Jens Peter Koerver

Vita

 1962—— ———-in Hamburg geboren

1982————— –Studium an der Universität Hamburg

1984-1985 ——–Studienaufenthalt in Rom,

1985-1994———Studium an der Hochschule für Bildende Künste, Hamburg,

1995-2001———Düsseldorf

seit 2001———–in Köln, unterrichtet am Friedrich-Wilhelm-Gymnasium und am Studienseminar Köln

 Ausstellungen

 1997—————-Fahnen-Ausstellung, Jazz Festival Moers

1997/98 ———–Skulpturenpark des AKKI im Düsseldorfer Südpark

1998—————-Kunstpunkte, offene Ateliers in Düsseldorf

1999—————-Blickachse, Kunst im Park, Worms

1999—————-Kunstpunkte, offene Ateliers in Düsseldorf

2000—————-Nationalpark Bayrischer Wald, Grafenau

2001—————-Industrieclub Düsseldorf

2008—————-FIH, Raketenstation, Hombroich

 

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