Mit jeweils sieben oder acht Zelten – preiswerten, igluförmigen Leichtzelten mit grausilberner Außenhaut und dunklem Bodenbereich – errichtet Karin Hochstatter auf den drei feststehenden steinernen Tischtennisplatten des Baumhofes ein Cluster Camp. Aus der Anhäufung („Cluster“ bedeutet im Englischen soviel wie Büschel, Bündel oder Traube) ergibt sich die Unbewohnbarkeit dieses Zeltlagers, denn die Zelte sind auf den drei Spieltischen aufeinander getürmt, ineinandergeschoben, liegen auf dem Dach, der Seite, zerdrücken und deformieren sich gegenseitig. Vielleicht sind einige farbige Leinen notwendig, um für etwas Halt zu sorgen und die rutschigen, zudem sehr leichten Körper vor den Angriffen des Windes zu schützen.
Wie Karin Hochstatters Cluster Camp wirklich aussehen wird, wird sich erst am Schautag zeigen. Eine endgültige, eine richtige Gestalt wird es nicht geben, keine fertige Arbeit. Vielmehr wird Cluster Camp im Laufe des Tages immer wieder neu errichtet, je nachdem wie es sich aus der Notwendigkeit infolge des Zusammen-brechens oder eher noch Auseinanderfallens eines oder mehrerer Zelthaufen auf den Tischen ergibt. Schon durch das geringe Gewicht der aufeinander liegenden Zelte kommt es relativ schnell zu unkalkulierbaren Verformungen der Akkumulationen, geraten eben noch bestehende Gleichgewichte aus der Balance. Oder es gefällt der Künstlerin einen weiteren Versuch mit ihrem Material zu unternehmen, eine andere, noch nicht erprobten Variante des Stapelns, des Ineinanderbauens zu verwirklichen. Jede Version wird eine temporäre sein; gut und schön, solange sie auf dem Tisch bleibt, das Gleichgewicht wahrt. Die immer wieder andere Form jeder dieser Skulpturen ergibt sich aus dem für das Publikum beobachtbaren Prozess des Aufbauens, der genauso wie die nur vorübergehend halt- und sichtbaren plastischen Arrangements auf den Tischtennisplatten (die so in ganz anderer Weise zu Spieltischen werden) ein wesentlicher Teil der Arbeit ist.
Erinnern der Titel der Arbeit und die als Material verwendeten einfachen Zelte an die Camps wie sie etwa die Occupy-Bewegung in einigen Metropolen zur Belagerung der Finanzjonglerie errichteten
BILDERGALERIE
Cluster Camp
und gegenwärtig vielfach bei Protestbesetzungen öffentlichen Raums weltweit genutzt werden, so stellen sich im Parkumfeld auch Zusammenhänge zu sommerlicher Freizeitgestaltung und dem eher versteckten Campieren von Obdachlosen in Grünanlagen ein. Diese möglichen Bezüge treten angesichts der drei auf den Tischtennisplatten errichteten Zeltgebilde in den Hintergrund. Gerade durch die Häufung und ihre gebrauchswidrige Platzierung wird ihre Funktion als Behelfsbehausungen zurück genommen. So genutzt werden sie unbetretbar, verwandeln sich in grausilberne, leicht verformbare Volumina, sie mutieren zu skulpturalen Bauelementen, die sich zu komplexen Großkörpern verbinden. Mit jedem Umbau, aber auch schon mit der sich beim Umschreiten der Arbeiten ergebenden wechselnden Blickwinkel zeigen sich immer neue Aspekte dieser Cluster, stellen sich andere Assoziationen ein, Wolken und Gebirge mögen naheliegende Vorstellungen sein, die sich bei leichtem, die Zeltwände in eine wie atmende Bewegung versetzenden Wind auf irritierende Weise ins Organische, Lebendige weiten, die auf den Tischen lagernden Gebilde zu riesigen Leibern werden lässt.
Aus etwas Abstand rücken die steinernen Tischtennistische stärker in den Blick, sie sind Co-Akteure und begrenzende Spielfeder, auf denen jeweils eine (vor-übergehend) haltbare Balance der Zelte gefunden werden muss. Erst von den Tischen getragen erreichen die Zelthaufen ihre imposante Höhe, wie auch eine Spannung zwischen dem optischen Gewicht der Zelthaufen und ihrem Getragenwerden durch die Tische entsteht. Gerade die v-förmige Stellung der Tisch-beine mutet wie ein Einknicken unter voluminöser Last an, wodurch der Eindruck von hoch bepackten Tieren, einem rätselhaften Transport, einer ebenso befremdlichen wie zeitgenössischen Karawane entsteht: Labil, flexibel oder vielmehr in ständigem Umbau begriffen ist Cluster Camp eine skulpturale Improvisation über Lastenverteilung, Volumen und Stabilität, eine plastische Sisyphusarbeit, die nach einem Tag nicht fertig, aber vorbei sein wird.
Jens Peter Koerver
VITA
Vita
1960…. .in Köln geboren
1960…. .lebt und arbeitet in Köln
1980-87……Studium Bildende Kunst an der Kunstakademie Düsseldorf, Meisterschülerin bei Franz Eggenschwiler
1988………..Projektstipendium Civitellad’Agliano (gefördert durch Kunstfonds e.V.)
1989………..Peter-Mertes-Stipendium (Bonner Kunstverein)
1990………..Ringenberg-Stipendium des Kultusministeriums NRW
1992………..Arbeitsstipendium Casa Baldi (Villa Massimo, Rom) des Landes NRW 1996
1960…. .Friedrich-Vordemberge-Förderpreis der Stadt Köln
2000………..Arbeitsstipendium London (gefördert durch das Land NRW)
2002/03…….Gastprofessur Akademie für Bildende Kunst, Mainz
2006/07…….Gastprofessur Hochschule für Bildende Künste Braunschweig
Einzelausstellungen (Auswahl)
1990………..Artothek. Köln
1991………..Galerie Brandstetter & Wyss, Zürich und Solothurn
1992………..Mannheimer Kunstverein (mit Tina Haase) *
1993………..Kunstverein Region Heinsberg
1998/99* 2002 The drawingroom p./vivvar./bagheria, Kunsthaus Essen
2006………..an räumen, KolsteratHdBI., Frankfurt
2008/09…….POMP, Wilhelm-Lehmbruck-Museum, Duisburg
2012………..desolate sculpture, Kunstwerk Köln
Ausstellungsbeteiligungen(Auswahl)
1989………..Ständegegenstände, Flottmann halle Herne *
1990………..X, Orangerie Schloss Brühl *
1991………..Focus Holland, Rheinauen Utrecht *
……………..Außerhalb von mittendrin, NgBK Berlin *
1995………..Zweiundzwanzig, Bonner Kunstverein *
1996………..Nähe und Ferne, Stadtmuseum Sofia *
1997………..Labor: Pop, Forum Bildender Künstler, Essen *
1998………..Unterschiedliche Dinge, Universität Frankfurt u. Deutsches –Architekturzentrum Berlin
1999………..Die Räder waren unsere Pferde …, Museum KatharinenhofKranenburg
2001………..Öffnen-Sichern-Speichern unter, Galerie Tony Wüthrich, Basel
2002………..Formen der Gewalt, Gabriele Rivet, Köln
2004………..Gewalt_Macht_Spass, Evangelische Stadtakademie, Frankfurt
2006………..Wonderland, Horsham Regional Art GalLery, Horsham
2007………..Variation der Wiederholung, Galerie Ulrich Mueller, Köln
2008………..2…3/4_, Raum für Kunst und Musik, Köln
………………Fieber tief in den Taschen, SchlossWaldthausen, Mainz *
2009………..Sample 2, Deutscher Künstlerbund, Berlin
2011………..Wenn es ernst wird, Prozeßkunst als Konzept, Raketenstation Insel Hombroich
2012………..Full House, Salon Schmitz Köln
Salonstücke reloaded, StädtGaLerie Villa Zanders, Bergisch-Gladbach *
* Katalog