BILDGALERIE

"Nature Simulation 3"

Peter Lodermeyer:

Dein Beitrag zur Vorgebirgspark Skulptur ist die Klanginstallation „Nature Simulation 3“. Ihr gingen zwei ortsspezifische Realisationen anlässlich der New Talents Biennale Cologne voraus, in Köln 2016 und Kornelimünster 2017. Worin unterscheidet sich die Nummer 3 von den vorhergehenden Arbeiten?

Sebastian Thewes:

Meine Klanginstallationen beziehen sich immer auf die Orte, an denen sie installiert werden. Kornelimünster, Köln 2016 und der Vorgebirgspark unterscheiden sich grundlegend voneinander. Während die Installation in Köln im Hof eines brummenden Umspannwerkes mit einem kleinen künstlich angelegten Teich stattfand, war es in Kornelimünster der Vorhof eines ehemaligen Benediktinerklosters. Im Vorgebirgspark befindet sich die Installation in einem Teil des Parks, der einem Wäldchen ähnelt und somit sehr viel mehr natürliche Aspekte aufweist als die vorigen Orte. Zum einen analysiere ich den Ort der späteren Installation, um dann gezielt auf seine Eigenschaften, Besonderheiten und Bewohner / Besucher (z. B. Vögel, Menschen) einzugehen. Zum anderen mache ich vor Ort Aufnahmen, die ich dann später auch in der Installation verwende. Ich versuche mit den Tieren vor Ort in Dialog zu treten. Andererseits will ich bewusst und merklich akustisch in den Ort eingreifen, das heißt, ich spiele bewusst Klänge ab, die nicht zu dem Ort passen oder gar künstlichen Charakter haben.

Peter Lodermeyer:

Da man Klänge nicht abbilden kann, hast du dich dafür entschieden, in dieser Dokumentation Fotografien zu zeigen, die dich im Camouflage-Kostüm eines Ornithologen zeigen. Es fällt auf, dass du nicht etwa ein Mikrofon, sondern einen Lautsprecher nach oben in die Bäume richtest. Warum?

Sebastian Thewes:

Die Fotos spielen auf meine künstlerische Strategie an. Meine Installationen brauchen in der Regel keine physische, sichtbare Präsenz. Im Gegensatz zum Ornithologen beobachte oder dokumentiere ich allerdings nicht, sondern triggere, provoziere und sende. Ich werde quasi zum Eindringling, der nicht erkannt werden will, um mich heimlich akustisch ins Geschehen einzuschleusen. Die Tarnung ist wichtig, weil eine Verschmelzung mit dem Ort stattfinden soll. Keine klare Grenze zwischen Klanginstallation und klanglicher Beschaffenheit des Ortes soll ersichtlich sein. Ich werde in gewisser Weise zum Vogel, und der Beobachter muss selbst zum Ornithologen werden und aufmerksam zuhören, um den Ort und meine Intervention zu erkennen.

Peter Lodermeyer:

Man könnte meinen, dass du dich in einem Wald, irgendwo in der Wildnis befindest. Tatsächlich sind die Aufnahmen jedoch im Vorgebirgspark entstanden. Haben wir als „Natur“ immer ein Ideal oder eine Illusion im Kopf? Gibt es sie nur noch als Simulation?

Sebastian Thewes:

Die Natur, wie wir sie in einem Park in Köln erleben, ist eine hochgradig kontrollierte Natur, die in den letzten Jahren durch Umweltverschmutzung, Lärm und andere

Faktoren immer stärker ihre Artenvielfalt eingebüßt hat. Von Wildnis und Ursprünglichkeit brauchen wir also wirklich nicht zu reden. Natur ist für die Menschen vielerorts zu einem degenerierten, umfunktionierten Raum geworden. Vom Naherholungsgebiet über die Hundewiese bis zur tollen Kulisse für einen Triathlon. Für viele Menschen gibt es die Natur im Baumarkt als Geranie zu kaufen, als Mittel zum Zweck, um das Reihenhaus zu verschönern.

Peter Lodermeyer:

Im Folder sieht man das Foto eines Rotkehlchens. Bekanntlich geht die Zahl der Singvögel in Deutschland (und in ganz Europa) seit Jahren besorgniserregend zurück. Weist deine Arbeit auch eine ökologische Komponente auf?

Sebastian Thewes:

Definitiv. Das Lied von der Umweltzerstörung ist als Störgeräusch für viele Menschen zur Gewohnheit geworden und wird reguliert mit dem Glauben, der Fortschritt möge es irgendwann richten, beispielsweise ein Software-Update für einen Diesel-PKW. An die Stelle von verstummten, verschwundenen Vogelarten setze ich künstliche Klänge und Störgeräusche wie auch akustische Irritationen. Sie fungieren als Platzhalter, Hinweis oder auch als akustische Falle, um die Aufmerksamkeit auf den Sachverhalt und die Installation zu lenken.

Peter Lodermeyer:

Die IG Kunst im Park hat sich für einen weit gefächerten Skulpturbegriff entschieden. Sind Klanginstallationen für dich eine Form von Skulptur?

Sebastian Thewes:

Auch wenn Klang im Gegensatz etwa zu einer massiven Betonskulptur einen eher flüchtigen Charakter besitzt, kann seine Einflussnahme auf den Zuhörer doch sehr physisch sein. Wie der Bildhauer arbeite ich auch im dreidimensionalen Raum, meine Installation schafft einen Raum. Der Klang arbeitet mit dem Raum und nimmt Einfluss auf bestehende physische Strukturen.

Peter Lodermeyer:

Natur ist immer wieder Thema deiner Arbeiten. Du setzt jedoch ganz auf technische Medien wie Klangkunst, Animation, Netzkunst und Game Art. In welchem Verhältnis stehen für dich Naturästhetik und die spezifische Ästhetik elektronischer Medien?

Sebastian Thewes:

Die Natur wird in unserer Gesellschaft zu einem Klischee: ein Stilmittel in der Architektur, ein Desktop-Hintergrund. Vielerorts sind wir mit Imitationen von Naturaspekten konfrontiert. Wir benutzen Smartphone-Klingeltöne, die Vogelgezwitscher imitieren. Vieles von dem, mit dem die Menschen heute ihren Naturbegriff bilden, wurde ihnen über technische Geräte vermittelt. Mich interessiert, wie sich unsere Naturauffassung im Zuge der Technologisierung verändert und welche Naturaspekte den Weg ins Digitale schaffen.

VITA

Sebastian Thewes

1980                           geboren in Solingen, lebt und arbeitet in Köln

2009 – 2015               Studium an der Kunsthochschule für Medien (KHM) Köln

2013 – 2016               Seminar Unsite Temporalities zusammen mit Dirk Specht an der KHM Köln

Einzelaustellung (Auswahl)

2015                           Permasmile, Gold & Beton, Köln

Gruppenausstellungen (Auswahl)

2017                           new talents – destinationkunsthaus nrw, Kornelimünster

2016                           Splitter & Amalgam, Weltkunstzimmer, Düsseldorf

2016                           new talents – Junge Kunst aus NRW, Kunsthalle Recklinghausen

2016                           New Talents Biennale, Köln

2016                           Bite The Border, Marrakech Biennale 6, Marrakech, Marokko

2016                           Totale 19, Essen

2015                           Werkleitz Festival, Halle

2015                            Are You Series?, Philara – Sammlung zeitgenössischer Kunst, Düsseldorf

2015                           transmediale – CAPTURE ALL, Haus der Kulturen der Welt, Berlin

2015                           All Glitched Up, Tate Collectives, Tate Britain, London

2011                           Beyond 3d Festival, ZKM, Karlsruhe

2010                           sonotopia, Beethovenhalle, Bonn

Gruppen-Publikationen

2016                           (Intestine) No. 3, By Hermes Villena

2016                           Offtopic Magazin, Birkeland Interview. Zusammen mit Thomas Hawranke

2016                           Landscapes of Fear, Audio-CD. Konzept zusammen mit Dirk Specht

2015                           IDEA magazine. Visual Communication in the Post-Internet Age

www.sebastianthewes.com

Ein Audio-Stück, das in Verbindung zur Arbeit im Vorgebirgspark steht, ist auf der Website des Künstlers hier hinterlegt: http://sebastianthewes.com/n3/

Technische Realisation der Arbeit im Vorgebirgspark mit freundlicher Unterstützung von www.gerngesehen.de